18. Ins Dunkel (5)

Sie machte eine Pause, die Fiedler für eine Antwort nutzte. "Für den Anfang nicht schlecht, Lady! Nehmen Sie es mir aber bitte nicht übel, wenn ich mir Applaus und lobende Worte für die Schlussfolgerung aufhebe, die Ihr hübsch manifestierter Kopf zusammenbringt, ohne nur zu wiederholen, was Herr Steinmeier und unser Führer vom Rattenvolk schon festgestellt haben." Die Stimme des Detektivs troff vor Spott. "Achten Sie doch einmal auf Details und Implikationen. Diese 'Finstervögel', wie Sie sie so treffend benannt haben, haben sich gegen unserer heldenhafte Ratte nicht etwa mit Zauberei zur Wehr gesetzt, sondern sie vielmehr körperlich mit Klingen, Stacheln und Gift attackiert. Meine Resistenz gegen alles Magische wird mir daher wohl beim Überwinden dieses Hindernisses kaum eine Hilfe sein. Andererseits wurde dieser Schutz eingerichtet, nachdem der Brunnen gerade erst von einem ziemlich mächtigen magischen Wesen befreit wurden war. Ich würde also glatt meine Lieblingsschuhe darauf verwetten, dass die Vogelviecher für einen Kampf mit einer Beschworenen wie Ihnen mehr als gut gerüstet sind." In der entstehenden Pause öffnete Sina kurz den Mund, schloss ihn dann aber frustriert wieder, bevor Fiedler weitersprach. "Damit bleibt die Frage offen, wie wir an diesem Schwarm von Wächtern vorbeikommen."
Die Wortgefechte zwischen Sina und Fiedler ignorierend, hatte Steinmeier die ganze Zeit über den Vogelkadaver angestarrt und abgewogen, ob er mehr Mut und Verzweiflung oder doch mehr Angst vor dem Tod hatte. Immer wieder kamen ihm der Anblick seines eigenen zerschlagenen Körpers im Aufzug und die dunkle, schreckliche Gestalt des Voodoo-Gottes in den Sinn. Andererseits hatte Astrid gesagt, sie würde auf ihn waren - und egal was irgendwer behauptete: Dies hier war die perfekte Gelegenheit für ihn, sich von seiner Schuld an Astrids Tod reinzuwaschen! Konnte das der Moment, die Tat und der Zweck sein, für den das Schicksal ihn vorgesehen hatte?
Erschrocken zuckte er vor dem Gedanken zurück - so durften allenfalls Figuren aus seinen Theater- oder Fernsehrollen von sich denken und nicht sein gesundes, realistisches und gefestigtes echtes Selbst. Die Szene vorher am Grund des Aufzugsschachtes kam ihm wieder vor Augen. Was zählte hier denn schon Realismus, wenn er im Nahtod mit Geistern und Göttern redete? Wenn tote Fliegen aus Träumen und Visionen in die stoffliche Welt fallen konnten? Und wie gesund und gefestigt war sein Selbst denn noch? Seit er hier an der Grenze gelandet war, hatte er keinen Halt gefunden, war durch diese irrsinnige Freakshow getaumelt und gestolpert ohne Platz ohne Ziel und ohne etwas bewegen zu können. Im Grunde genommen hatte sich die Grenze bisher einen Dreck um ihn geschert - und um all dem noch die Krone aufzusetzen, hatten sich die Mächte der Grenzwelt noch einen Scherz daraus gemacht, 'Nichtbeachtung' zu seiner Gabe zu machen. Möge ihn doch die ganze Paranormalität am Arsch lecken! Schweren Herzens und Mutes fasste er den Entschluss zu handeln und das Schicksal herauszufordern. Mal sehen, wer ihn aufhalten würde.
Steinmeier stand aus seiner kauernden Haltung auf, wandte sich mit ernster Miene zu Fiedler, und wartete bis dieser mit seiner kleinen Rede fertig war. Als der Detektiv geendet hatte, erhob Finn die Stimme im seinem besten 'Heldenschicksalston': "Wenn einer das tun kann, dann bin ich das, denn ich muss es tun." Die Worte kamen etwas weniger selbstsicher und gelassen heraus, als er sich das vorgestellt hatte, aber zu seiner Zufriedenheit spiegelten sich Finns Zweifel und Angst nicht darin wieder. "Wenn Sie mir also Ihr Seelenfängerding geben und zeigen, wie es funktioniert, dann werde ich tun, was nötig ist."

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