21. Eskalation (5)

Unmittelbar nach dem Ausruf begannen Netze rot flirrender Entladungen entlang der Klinge zu tanzen, während die Waffe weiter in die Wunde eindrang. Die Reaktionen auf diese Entwicklung geschahen parallel und Steinmeier hatte Schwierigkeiten, ihnen zu folgen. Nahezu gleichzeitig mit dem Eintreten des Lichteffektes ließ die blonde  Bogenschützen mit der ihr eigenen übernatürlichen Flinkheit Bogen und Pfeil fallen und griff mit einer Hand nach dem Schwertgriff während die andere in Richtung von Bracks Gesicht schnellte. Dann schossen plötzlich aus verschiedenen Richtungen grob eine Handvoll glänzender Objekte (Finns Unterbewusstsein registrierte fünf) auf die beiden Kämpfer zu, schlugen aber wider Erwarten nicht in eines der beiden Ziele ein, sondern gingen in gleichmäßigem Abstand von etwa zwei Schritt Entfernung zu Boden.
Mehr aus dem Augenwinkel registrierte Steinmeier, dass zumindest diese letzte Entwicklung wohl auch die etwas abseits stehende Frau mit dem Regenschirm zu beunruhigen schien. Ihr Gesichtsausdruck wirkte verwirrt und zunehmend empört.Sie musste bereits zuvor den ursprünglich aufgespannten Regenschirm eingeklappt und gesenkt haben. Nun begann sie hastig in ihrem großen dunkelgrünen, mit seltsam gemusterten Flicken besetzten Messengerbag zu wühlen, ohne den Blick von dem verbissenen aber nach den vereinbarten Regeln beendeten Kampf abzuwenden.
In der Tat floss das erste Blut reichlich - und zwar aus der Schulter des vom Pfeil durchbohrten Lukas Brack. Dieser machte aber dennoch keinerlei Anstalten, von seiner trotz Schwert und Blitzgewitter immer noch nicht blutenden Gegnerin abzulassen. Konnte man die Gabe haben, nicht zu bluten? Damit wäre die Bogenschützin natürlich prädestiniert für ein solches Duell. Zusammen mit der gerade demonstrierten Geschwindigkeit, ergäbe das eine ideale Voraussetzung. Als die Hand der Kämpferin mit der Stirn des sich wegduckenden Brack harten Kontakt machte, fiel Steinmeier allerdings auf, dass auch die blonde Frau nicht mehr unbeeinträchtigt schien. Wenngleich Brack von ihrem Treffer mit enormer Wucht zurückgeschleudert und von den Beinen geholt wurde, wurden ihre Bewegungen von einem Moment zum anderen langsamer und ungelenker. Seltsamerweise schien sich auch die zuvor seidig glatte Oberfläche ihrer Kleidung zu verändern und auch im diffusen quellenlosen Dämmerlicht des unterirdischen Gewölbes rauer und matter zu werden. Das gleiche galt irgendwie auch für ihre Gesichtszüge.
Etwa in dem Moment, in dem Brack zwei Meter weiter krachend zu Boden ging, das rote Funken sprühende Schwert immer noch in der Hand, erwachten die zuvor herbeigehuschten fünf metallisch glänzenden Objekte zum Leben. Auf den zweiten Blick erkannte Finn, dass es sich um kunstvoll geschwungene Dolche handelte, die in einem Kreis mit der Kämpferin als Mittelpunkt zum Liegen gekommen waren. Jetzt ging zunächst ohne Vorwarnung ein silberner Blitz von jedem von ihnen aus, dann setzten sich die Klingen rasch in Bewegung, wobei sie eine glimmende Spur hinter sich her zogen. Diese Entwicklung zog offenbar die Aufmerksamkeit der blonden Kämpferin in ihrer Mitte auf sich, denn sie ließ sofort von Brack ab und versuchte, zu dem ihr am nächsten gelegenen Dolch zu gelangen. Dabei unterlagen ihre zunehmend angestrengt wirkenden Bewegungen aber schließlich der unbarmherzig fortschreitenden Verlangsamung und mit einem leisen aber hohen und durchdringendem Flüstern erreichten die Klingen ihren Zielpunkt.

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