23. Auf ein Wort (2)

Die durchaus freundliche Stimme des Burgbediensteten beschwichtigte seine Befürchtungen zumindest fürs Erste: “Willkommen auf der Burg. Mein Herr lässt mich ausrichten, Sie mögen hier bitte einen Moment warten. Die Gräfin wäre bereits von Ihrem Anliegen unterrichtet. Sie wird sich Ihrer annehmen, sobald ihre Verpflichtungen das zuließen.” Ausholend und etwas umständlich griff der Bedienstete in eine Tasche seiner Livrée und produzierte daraus ein längliches silberfarbenes Metallröhrchen, das er dem durchnässten Privatdetektiv mit eleganter Geste hinhielt. “Um Ihnen die Wartezeit zu versüßen soll ich dies hier überreichen - mit bester Empfehlung meines Herren, versteht sich.” Der Anflug eines Schmunzelns huschte über Fiedlers Gesicht, als er das Präsent erkannte und mit einem angedeuteten Kopfnicken entgegennahm, während der Maskierte fortfuhr. “Ihren Gewohnheiten nach werden Sie es wohl bevorzugen, hier draußen zu warten. Sollten Sie sich jedoch anders entscheiden, steht Ihnen die Türe zum Gästebereich natürlich offen. Wenn ich es mir erlauben darf - würde gerne darauf hinweisen, dass die Innenräume natürlich deutlich wärmer klimatisiert sind als der Außenbereich. Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?”
Fiedler rang kurz mit sich, versucht von der Aussicht auf eine warme trockene Umgebung mit bequemen Sitzmöbeln. Dann besann er sich jedoch wieder auf den Grund seines Kommens und auf das angestrebte und potentiell komplizierte Gespräch mit der Gräfin. Drinnen hatten alle Mauern Ohren - und auch wenn er sich seiner Privatsphäre hier draußen ebenfalls nicht sehr sicher war, fühlte er sich im Schlosshof und -garten deutlich unbelauschter vom beinahe omnipräsenten Burgherren. “Nein, danke. Ich werde hier warten… und mir vielleicht ein wenig die Füße im Schlossgarten vertreten.”
Der Diener nickte. “Sehr wohl, Herr Fiedler. Eine schöne Nacht wünsche ich.” Nach einer dezenten Verbeugung drehte er sich um und schritt davon in Richtung der erleuchteten Fenster des Schlossgebäudes. Einen Moment lang sah ihm Fiedler nach. Dann machte er sich  daran, das Metallröhrchen zu öffnen, in dem sich wie erwartet eines der edlen Zigarillos befand, die der Burgherr gelegentlich seinen Gästen zu präsentieren pflegte. Ehrlich gesagt wäre dem Detektiv der Sinn gerade mehr nach einem guten Schluck Whisky gestanden, vielleicht auch nach etwas zu essen. Allerdings war aktuell nichts davon greifbar - und wenn er schon den Zigarillo hatte, dann konnte er ihn auch ebenso gut rauchen. Aus einer seiner Jackentaschen fingerte er ein wundersamerweise trocken gebliebenes Sturmfeuerzeug und während er den Tabak anpaffte, begannen seine Gedanken wieder zu schweifen.

Der Tag hatte ihm härter zugesetzt, als er es sich eingestehen wollte: Fast zwanzig Stunden waren nun vergangen, seit Sina in seinem Büro aufgetaucht war. Zwanzig Stunden, in denen Kontakte aufgesucht, Um- und Abwege genommen, Entscheidungen getroffen und Gefallen eingefordert werden mussten - und irgendwie war er seit der Szene im Lift eigentlich ständig auf der Flucht vor übermächtigen oder nicht greifbaren Gegnern. Bei der letzten Konfrontation am Seelenbrunnen hatte er dann nicht nur Steinmeier verloren (verdammt, Steinmeier!), sondern auch noch Sina und zudem jegliche Klarheit, die sein aktueller Auftrag eigentlich gehabt hatte. Es wurde höchste Zeit, mit dem Weglaufen aufzuhören, ein wenig Initiative zu ergreifen und in die Offensive zu gehen. Allein wie?

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