24. Auf ein Andermal (4)

Kalkuliert gleichgültig legte Fiedler den Kopf schief und ließ erneut die Schultern zucken. “Ein alter Bekannter und ein Freund der Kirchner. Eigentlich hatte ich ihn als Anker für eine symbolische Verbindung zu deren Seele angeheuert, aber irgendwie hat er vor allem Ärger angezogen - und Samedi. Na ja, du hast ja gesehen, was mit ihm passiert ist.” Betrübt und resigniert schürzte er die Lippen, bevor er nachhakte. “Ihr wart am Morgen nach der Szene mit Mitternacht und uns nochmal am Brunnen?”
Brack nickte etwas gelangweilt. “Ja. Das war aber keine große Sache. Der Loa war natürlich wieder weg und auch von deiner selbsternannten Auftraggeberin gab es trotz Bannkreis keine Spur. Normalerweise würde letzteres Unbehaun in Rage versetzen, aber diesmal war er wohl schon vorgewarnt: Weder er noch sonst ein Magier empfand es noch für nötig, bei der morgendlichen Expedition zum Seelenbrunnen dabei zu sein. Stattdessen haben sich die Herren mal wieder zum Debattieren eingeschlossen. Nehmen wir also an, die Sache hat sich irgendwie ‘politisch gelöst’ und Unbehaun oder sonstwer hat die Geisterzicke über Nacht freigelassen.”
Abfällig spuckte er über das Geländer und sah dann über die Altstadt zum Schlossberg hinauf, auf dem die mächtigen Befestigungen der Durnburg in den ersten Strahlen der Morgensonne leuchteten. “Politische Lösungen sind nicht so mein Ding. Andererseits hat die ganze Angelegenheit mit einem politischen Streit angefangen, bevor sie zu unserem gemeinsamen Problem wurde…” Unvollendet blieb der Satz in der Luft hängen, während sich Brack einen kräftigen Schluck aus dem Kaffeebecher nahm und sich mit feinem aber frechem Grinsen auf den kantigen Zügen zu Fiedler drehte, der ihn eindringlich und interessiert anstarrte.
Nach ein paar Momenten der Stille ging dem Privatdetektiv die Geduld aus. “Was nun?” explodierte er, “Komm schon, spann mich nicht auf die Folter!”
“Nur mit der Ruhe, Fiedler.” Das Grinsen verschwand aus Bracks Gesicht und wich einem ernsten aber freundlichen Zug um Mundwinkel und Augen. “Im Grunde trau ich dir, aber trotzdem: Bevor ich jetzt einfach so vor mich hin erzähle und du dann nickst und gehst, will ich sicherstellen, dass ich von dir die Infos kriege, die mich interessieren.”
“Alter Kamelhändler!” In Fiedlers Stimme mischten sich Spuren von Knurren und Lachen. “Was willst du wissen? Glaub aber nicht, dass ich für meine Neugier irgendwelche Abmachungen oder gegebenen Worte brechen werde!”
Brack wirkte zufrieden. “Eigentlich sind für mich zwei Dinge von Interesse: Was ist mit der Geisterbraut passiert und wie geht es mit der Seele der Kirchner weiter?”
“Ah. Du interessierst dich also nur für die Röcke. Hätte ich mir ja denken können!” Ungeachtet Bracks abschätzigem Blick fuhr Fiedler feixend fort: “Der Geist, den du als ‘Geisterbraut’ betitelst, hat meines Wissens nach erfolgreich die Stadt ebenso wie unsere körperliche Existenzebene freiwillig verlassen. Was genau mit ihr dabei ‘passiert’ ist, entzieht sich meinem Laienverständnis. Allerdings befand sie es offenbar noch für wichtig und notwendig, mir ein paar Informationen zukommen zu lassen. Wie es scheint, hat sie sich nach ihrer Flucht aus dem Bannkreis die Zeit genommen, die halbtote Laurie Stance - also die von ihr gedoppelte Bogenschützin von Mitternacht - aus dem Wirkungskreis des Brunnengeistes zu retten und einigermaßen zu heilen. Dann hat sie sie wohl vor den Türen des Grenzereingangs an der Klinik links der Elm abgelegt. Ein wenig hatte ich den Eindruck, dass sie unbedingt besser und weniger menschenverachtend dastehen wollte als Baron Samedi. Die beiden müssen eine ganz schön lange Fehde hinter sich haben - Unsterbliche unter sich eben...”
Fiedler schüttelte entschuldigend den Kopf. “Tut mir Leid, Brack, aber handfestere Informationen habe ich nicht aus ihr heraus gebracht. Ich glaube auch nicht, dass du dir in nächster Zeit um die Dame Gedanken machen musst. Wenn ich sie richtig verstanden habe, will sie unsere Realität und insbesondere unseren Breitengrad in nächster Zeit erst einmal meiden. Durchaus verständlich, wenn du mich fragst, schließlich wurde sie hierher beschworen und musste im Pakt ein paar wirklich unangenehme Dinge tun. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass mit Unbehaun ein bewiesenerweise für sie ziemlich gefährlicher Magier einen Groll auf sie hegt und auf Rache aus ist. Gründe genug, sich hier ein paar Jahrzehnte nicht mehr blicken zu lassen. Freiwilligerweise, versteht sich. Ihrereins hat ja nicht immer die Wahl.”

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