24. Auf ein Andermal (7)

Auf die Frage hin sah Brack ihn über die Schulter hinweg an. “Nun ja, Unbehaun meinte, ich wäre ein Problem für die Moral und die Disziplin der Truppe, wenn ich bliebe.”
“Du? Das klingt absurd und erst mal gar nicht gut.” Skeptisch zog Fiedler eine Augenbraue hoch.
“Bedingt.” Brack schaute wieder nach vorne auf den Fluss als er weitersprach. “Wie er es sagte, sähe er zwei Möglichkeiten so ein Personalproblem anzugehen. Bei der naheliegenden Lösung müsste er meinen toten Körper in der Elm entsorgen. Der andere Ansatz ist, mich so loszuwerden, dass ich weit genug von seiner Organisation weg bin, aber noch als Kontakt und ‘alter Freund des Hauses’ nützlich sein kann. Freundlicherweise - vielleicht aber auch nur als weiteren Zug in seinem Spiel - wählte er die zweite Variante.”
“Das ist dann wohl mal gut gelaufen für dich, was?” In Fiedlers Worten lagen Erleichterung und Neugier. “Verrätst du mir noch, wohin dich unser gemeinsamer Freund Unbehaun entsorgt hat? Für deinen früheren Söldnerjob bist du mittlerweile echt zu alt!”
“Nun werd mal nicht frech, Schnüffler!” Eine gehörige Spur Lachen schwang in Bracks Stimme mit. “Schließlich sprichst du mit dem neuen Hauptmann der Durnburger Nachtwache!” Er grinste den Detektiv frontal an.
“Hauptmann der Nachtwache?” Anerkennend pfeifend stieß Fiedler etwas Luft aus. “Du arbeitest jetzt für die Burg? So richtig mit Recht und Ordnung halten in der der Stadt und die Bürger vor Bedrohungen schützen?”
“Genau so. Im Grunde ist das ziemlich genau das, worauf ich hinaus will. Die Nachtwache ist neutral und direkt dem Burgherren unterstellt. Wenn irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugeht, kann ich eingreifen und weder Ratsmitglied noch Magister Princeps kann Einspruch erheben, so lange ich mich danach vor dem Rat und dem Burgherren verantworte. Wenigstens von der Seite spielt also keiner mehr Spielchen mit mir.”
Bracks Blick wurde eindringlicher und ließ Fiedlers Augen nicht entkommen. “Außerdem hat man als Hauptmann der Nachtwache so ein paar Verbindungen. Zum Beispiel habe ich erfahren, dass du, Fiedler, in einer geheimen Sitzung dem inneren Kreis des Rates und dem Burgherren eine Kapsel mit Astrid Kirchners Seele vorgelegt hast.” Er ignorierte Fiedlers offensichtliche Überraschung. “Du weißt also genau, was mit ihr und dem Orakel geschehen ist. Also nochmal: Halt dich jetzt gefälligst an deinen Teil der Abmachung und pack aus!”
“Und was ist, wenn ich geschworen hätte, nichts zu erzählen?” Argwöhnisch sah Fiedler auf das kantige Profil seines Nebenmannes.
“Dann hättest du mich über den Tisch gezogen.” In Bracks Stimme lag Fatalismus, aber auch Zuversicht. “Ich kann und will dich zu nichts zwingen. Du hast von Anfang an gesagt, dass du kein gegebenes Wort brechen wirst. Allerdings wusstest du da schon, was ich von dir wissen will - und ich kenne dich als ehrlichen Halunken, Fiedler. Du haust einen alten Freund nicht aus Neugier über’s Ohr. Erzähl’ so viel du willst oder kannst.”
Einen Moment zögerte der Detektiv abwägend. Dann atmete er durch und leerte auch seinen Kaffeebecher, behielt ihn aber in der Hand. “Na gut, du hast Recht, ich schulde dir so viel Einblick, wie ich dir geben darf.” Er zögerte, legte den Kopf wieder etwas schief und grinste nur ein kleines bisschen, als er mit veränderter Tonlage fortfuhr. “Außerdem, Herr Hauptmann, sollten Sie doch ein gewisses Bild von den Mächten haben, die in Ihrer Stadt herumspuken.”
Verwirrung stand auf Bracks Gesicht, doch Fiedler fing einfach an zu erzählen. “Du erinnerst dich an den Kerl, der bei dem reichlich chaotischen Scharmützel mit euch und Mitternacht von Baron Samedi erwischt und getötet wurde? Sein Name war Finn Steinmeier und er ist der Schlüssel zu dem, was du wissen willst. Bevor der wildgewordene Loa ihn packen konnte, warf er mir noch die besagte Seelenkapsel mit Astrid Kirchners Geist darin zu. Die Vorgeschichte zu der Kapsel und zu Finn tut nicht viel zur Sache und würde zu weit führen. Relevant ist, dass ich die Seelenkapsel in meinem Besitz hatte, aber nichts damit anfangen konnte.”
“Nichts damit anfangen?” Fassungslosigkeit und ein kurzes Aufwallen von Zorn ließ Bracks Stimme lauter werden. “Warum hast du uns die Dreckskapsel nicht gegeben? Du hattest einen verdammten Vertrag mit Unbehaun!”

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