24. Auf ein Andermal (3)

Mit Hilfe eines Schlucks aus dem Kaffeebecher ließ Fieder etwas Zeit verstreichen, in der Bracks Mimik anzeigte, wie er sich das Zusammentreffen ausmalte, bevor er schließlich seine Erzählung fortsetzte: “Ebenso selbstverständlich bezog der Troll von unserer Beschworenen sofort, mächtig und standesgemäß Dresche. Ich muss zugeben, dass ich das Zusehen bei der übernatürlichen Keilerei zwischen Feenwesen und Geist durchaus als unterhaltsam empfand. Ein Detail aus der ungleichen Prügelei habe ich damals zwar bemerkt, aber nicht wirklich verstanden und als unwichtig ignoriert. Vor dem Hintergrund der weiteren Ereignisse erklärt es aber vielleicht die Persönlichkeitsspaltung der Trolls: Als die Lady den Troll schließlich am Boden liegen hatte, ließ sie noch ein bisschen ihre beschissene Laune an ihm aus, indem sie ihn angiftete und so richtig mit Worten anging. Was mich dabei verwunderte war, dass die Worte der Beschworenen bei dem Troll so richtig Eindruck zu machen schienen, denn er verlor dabei Stück für Stück sein Glamour - also seine furchteinflößende Gestalt. Sogar die Brücke als seine Domäne wurde von den Beschimpfungen in Mitleidenschaft gezogen.”
Ein weiteres Nippen am Kaffee folgte, während Brack mit hochgezogenen Augenbrauen gedankenverloren auf das träge graue Wasser der Elm hinausblickte, wo die Lichter eines Lastkahns langsam ihre Bahn zogen. “Wie gesagt: Anfangs hielt ich das Ereignis für irrelevant. Offenbar ging irgendwas auf einer Metaebene ab, das ich als vorwiegend materielles Wesen nicht wahrnehmen konnte. Meine Arbeitshypothesen waren einerseits, dass sie jeweils einen Bissen aus seiner Feenaura, seinem Glamour nahm und ihn dadurch schwächte, oder andererseits, dass sie dem armen Kerl wiederholt eine Art Anti-Feen-Fluch um die Ohren haute. Wenn ich mir das heute überlege, hat sie die Gelegenheit genutzt, um die Energie - oder was auch immer - von Unbehauns Monsterpuppe loszuwerden. Klar eigentlich! Mittelfristig wäre es ein viel zu großes Risiko, den gefressenen Geist mit sich zu schleppen. Wahrscheinlich könnte deren Beschwörer oder jemand anderes mit den Teilen der Puppe mit Leichtigkeit deren Energie aufspüren und vielleicht sogar als Brückenkopf für einen Kontrollzauber zu nutzen. Die … Geisterbraut … hat also die Puppe in den Troll gerammt. Bah.” Fiedler schüttelte sich bei der Vorstellung der Metapher. “Man kann der Lady jedenfalls echt nicht nachsagen, zimperlich zu sein.”
Erneut rumpelte ein knappes, wenig amüsiertes Lachen aus Bracks Kehle. “Nein, bestimmt nicht. Da hattest du dir ‘ne ordentliche Zicke an Land gezogen, was Fiedler? Was hat sie mit dir gemacht, nachdem sie mit dem Troll fertig war?”
Mit perfekt einstudierter Unschuldsmiene hob Fiedler die Schultern. “Nichts. Ich hatte doch nur meinen Job gemacht. Außerdem schien die Stimmung der Dame deutlich verbessert, nachdem sie die Puppe erst einmal ausgekotzt hatte. Wahrscheinlich war sie einfach froh, ihren ‘Ballast’ losgeworden zu sein.”
“Mag sein.” Brack kratzte sich nachdenklich hinter dem Ohr. “Na ja, was dann mit dem Troll passiert ist hat du im Grunde hast du schon ziemlich genau vorhergesagt - zumindest im Prinzip. Wir haben die Reste der Puppe in der Brücke aufgespürt, ich wollte mir die Sache näher ansehen und wurde von einem reichlich mutierten und ziemlich heftigen Troll-Puppen-Doppelmonster überrascht. Bevor der Kampf für mich blöd ausgehen konnte, hat aber unsere Magierin die Puppenreste, wie du so schön sagtest, als Brückenkopf für einen Kontrollzauber verwendet und das Monster kaltgestellt. Von da aus war es für unsere Zauberkundige kein Problem mehr, die Geisterlady von der Puppe aus zu verfolgen. So haben wir euch dann erst in dieser gruseligen Spielhalle und dann noch einmal unten beim Seelenbrunnen gefunden.”
Fiedler nickte mit genervt finsterem Gesichtsausdruck. “Ja, das war spaßig. Bleiben wir bitte in Zukunft dabei, dass wir auf der gleichen Seite der Klinge stehen? Die Sache mit dem Aufzugsschacht war unerfreulich - und das Kaffeekränzchen mit Mitternacht und Baron Samedi am Seelenbrunnen geradezu ein Desaster.”
Auch Bracks Miene wurde grimmiger als er zurückdachte. “Das kannst du laut sagen. Es ist ja nicht so, dass ihr uns das Leben leicht gemacht hättet! Diese bonbonbunten Schleimbatzen von Einsiedlern haben mich zwei Ladungen meines Schutzamulettes gekostet und beinahe diesen naiven Idioten Mohrek entseelt. Ok, mit einem Höflichen ‘lasst uns in Ruhe’ hätte ich mich nicht zufrieden geben dürfen - aber eine Armee von gepanzerten Glibbermonstern auf uns loszulassen war schon etwas herb!”
“Hey, ihr habt uns im Lift auch nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst!”
Fiedlers Protest wurde von Brack mit einer wütenden Geste weggefegt. “Das war ein Unfall. Ein dämlicher Unfall. Es tut mir leid - aber ich will auch nicht dafür geradestehen. Lass uns nicht drüber reden. Manche Dinge kann man nicht kontrollieren. Mir würde da zum Beispiel ein verdammt wütender Loa einfallen, der am Seelenbrunnen aufgetaucht ist, kaum dass wir deine Geistertussi festgesetzt hatten.” Er unterbrach seinen erregten Redefluss, runzelte die Stirn und sah Fiedler direkt an. “Wer war eigentlich dieser Steinmeier? Wenn Unbehaun etwas über ihn weiß, hat er es mir nicht erzählt. Der Baron muss mächtig sauer auf ihn gewesen sein, sonst hätte er er nicht so kurzen Prozess mit ihm gemacht. Wir haben am nächsten Morgen beim aufräumen nur noch Staub und Knochen von ihm gefunden.”

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