1. Von der Brücke in den Fluss (1)


Mit einem abfälligen Geräusch löste sich der Speichel von Finns Lippen und mischte sich als einer von vielen unter die Legion der Regentropfen, die an diesem grauen Märznachmittag aus den Wolken über der Stadt quollen. Verdrießlich sah Finn Steinmeier ihm hinterher und grübelte vor sich hin. Im Grunde genommen war es ihm doch ergangen, wie diesem Tropfen Spucke. Die normale Gesellschaft hatte ihn ausgespieen und nun stürzte er als ein von allen unbeachteter, namen- und gesichtsloser Penner auf der Straße einem unbestimmten Schicksal entgegen und warum das alles? Weil er sich in einem völlig umnachteten Moment eingebildet hatte, eine Frau (eine Frau!) nicht wieder vergessen zu wollen. Mittlerweile war ihm klar, dass er damals keinen Schimmer über die Tragweite seiner Entscheidung hatte - keinen blassen Schimmer. Wo sollte das alles noch hinführen. Just als seine Gedanken diesen Punkt erreicht hatten, traf der Speicheltropfen auf die Wasseroberfläche des Flusses und verging in einem unhörbar leisen Klatschen. Finn kniff schmerzhaft die Augen zusammen und wandte sich um.

Um ihn herum herrschte mäßig reges Treiben auf der Neuen Schlosserbrücke, der teilweise überdachten Fußgängerbrücke, die Burg- und Altstadt von Durnburg verband. Menschen hasteten an ihm vorbei, eilten sich, noch ein bestimmtes Geschäft in der Altstadt rechtzeitig vor Ladenschluss zu erreichen oder einen Termin mit einem mehr oder weniger lieben Menschen einzuhalten. Niemand schien Finn wahrzunehmen oder sich daran zu stören, dass er es sich auf dem Schoß einer stählernen Skulptur bequem gemacht hatte, die die Mitte der westlichen Brückenseite verzierte. Erneut verzog sich sein Gesicht zu einer sarkastischen Grimasse - wahrscheinlich hätte er sich ausziehen und nackt auf der Statue (der Abbildung einer matronenhaften mittelalterlich anmutenden Wäscherin) tanzen können, ohne dass irgendjemand Notiz davon genommen hätte. Sogar eine in Anbetracht des Ortes (und seiner Stimmung) irgendwie naheliegende Selbstmorddrohung wäre wohl ungehört verhallt seit sich der "Schleier" zwischen ihn und die normale Welt gelegt hatte.

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