2. Lady in Black (2)


"Für Sie doch immer gerne - und mit wem habe ich das Vergnügen?"

Während Fiedler sich in seinem Bürostuhl aufsetzte, glitt seine Hand zu dem versteckt unter der Sitzfläche angebrachten Dolch und sein Blick auf den über der Eingangstür angebrachten Spiegel. Was er dort sah, bestätigte seinen Verdacht: Das Spiegelbild der Frau war eine bloße Silhouette, erfüllt mit unstet wandernden diffusen Reflexen wie ein schwarzes Seidentuch im Schein eines Lagerfeuers. Ein kleines Vermögen und einiges an Verpflichtungen hatte ihn dieser Spiegel damals gekostet, als er ihn von einem Spiegelmagier in der Altstadt erstanden hatte, doch in Fiedlers Branche musste man sich der wahren Natur seines Gegenübers sicher sein können. Seine Besucherin war also definitiv kein menschliches oder auch nur stoffliches Wesen.

"Sie können mich Sina nennen, das sollte für's Erste reichen. Ich bin hier, weil ich Ihnen einen Auftrag überbringen soll - und weil es meine Aufgabe ist sicherzustellen, dass Sie ihn ausführen und auch ausführen können."

Gut. Das war eine direkte Aussage und wesentlich erfreulicher als manche Alternativen. Außerdem machte sie keinen besonderen Hehl aus ihrer eigentlichen Natur - eine recht lästige Angewohnheit vieler ihrer Wesensgenossen. Beschworene waren häufig recht frei in der Wahl ihrer äußeren Form und gingen davon aus, dass "Geborene" sie nicht erkennen können; überhaupt gruselte es ihn beim Gedanken an so manches Zusammentreffen, dass er mit Beschworenen gehabt hatte.

Aber was soll's - Geschäft ist Geschäft.

"Sie sollen mich also anheuern, überwachen und unterstützen. Nun ja, da drängen sich mir doch ein paar Fragen geradezu auf! Darf ich erfahren, worum es gehen soll, bevor ich mich anheuern lasse? Wie komme ich überhaupt zu dem Vergnügen? Lassen Sie mir eine Wahl - und wenn nein, wollen Sie mich auf meinem eigenen Terrain zu etwas zwingen?" Fiedlers Augenbrauen waren mit fragend spöttischem Gesichtsausdruck hochgezogen.

Bevor eine Antwort kam, setzte sich die Frau mit einer fließenden Bewegung gegenüber von Fiedler seitlich auf den Schreibtisch, wobei sich ihre Bomberjacke in Luft auflöste und ein darunter getragenes enges schwarzes Top zum Vorschein kam. Nein, sie legte offenbar wirklich keinerlei Wert darauf, als Mensch durchzugehen.

"Wissen Sie, die haben mir gesagt, Sie wären schon lange im Geschäft und wüssten, wie die Dinge so sind und ich solle keine unnötigen Spielchen spielen. Das ist zwar schade - aber es ist so." Für einen Moment huschte ein diebisches Grinsen über ihre Gesicht. "Was Ihre Fragen angeht: Sie wohl der beste Mann für die Sache, weil sie angeblich gut sind, die richtigen Leute kennen und außerdem schon irgendwie in der Sache drin stecken. Natürlich wollen meine Auftraggeber nicht, dass Sie ablehnen aber man würde es vorziehen, wenn Sie gegen eine angemessene Bezahlung und nicht unter Druck arbeiten würden." Die Mimik der Frau wandelte sich zu einem freundlichen Lächeln, dem beinahe kein sarkastischer oder bedrohlicher Hintersinn anhaftete. "Was die Wahl möglicher Druckmittel angeht, man hat mich über Ihre Fähigkeiten und Schwächen hinreichend unterrichtet - überlassen Sie es gegebenenfalls mir, Sie zu überraschen."

Für einen Moment stand die von Fiedler provozierte Drohung im Raum und beide Kontrahenten blickten sich regungslos an. Dann fuhr die Schwarzgekleidete fort: "Zuletzt der Auftrag: Holen Sie Astrid Kirchner von den Toten zurück."

Es kam selten vor, dass Fiedlers Gesichtszüge entgleisten, aber das war eine dieser Situationen.

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