17. Andere Anweisungen (3)

Auf eine schmerzhafte Diskussion mit ungewissem Ausgang gefasst, straffte Brack seine Haltung und hob die zur Faust geballte Hand, um bei Unbehaun anzuklopfen. Bevor jedoch seine Knöchel Kontakt mit dem fein gemaserten Holz machen konnten, wich dieses unvermittelt zurück und die schwere Tür schwang lautlos auf. Einige Meter weiter stand die hochgewachsene schmale Gestalt von Ebenezer Unbehaun mitten in dessen Büro, die rechte Hand noch in der Vollendung einer nach Zauberei anmutenden Geste begriffen. Allerdings wurde Bracks Aufmerksamkeit viel mehr von der Linken des Magiers angezogen, um die gleich einem pulsierenden spiraligen Tanz die sieben fliegenden Dolche kreisten.

“Brack! Verschwenden Sie nicht meine Zeit, indem Sie gedankenverloren vor meinem Büro stehen. Wenn ich auf geistloses Herumstehen irgendwelchen Wert legen würde, hätte ich dort mit Sicherheit eine Wache postiert.” Unbehauns Ton wirkte leicht angespannt aber wie immer nicht nennenswert erregt. “Kommen Sie herein, schließen Sie die Tür hinter sich, und lassen Sie uns ein paar Worte wechseln!”

Reflexartig tat Brack wie ihm geheißen, den Blick nie gänzlich von dem tödlichen Wirbel der schwebenden Klingen abgewandt. Kaum war das Türschloss mit präzisem Schnappen hinter ihm eingerastet, fuhr Unbehaun fort. “Bevor Sie versuchen zu erraten, was ich schon weiß, kläre ich Sie im Sinne der allgemeinen Effizienz wohl am besten selbst über meinen bisherigen Informationsstand auf: Unser Botengeist wurde von einem anderen Beschworenen überwältigt und verschlungen. Das andere beschworene Wesen hat dann in Menschengestalt mit meinem Brief Herrn Fiedler angeheuert und wahrscheinlich die subsumierte Essenz des Boten genutzt, um Frau von Radewitz zu täuschen. Irgendwie ist dann die Substanz des Botengeistes in den Troll der neuen Schlosserbrücke geraten, wo Sie und Frau Hasmann sie aufgespürt haben. Mit Hilfe einer rituellen Verbindung konnte die andere Beschworene in eine Kneipe im Alten Hafenviertel verfolgt werden, wo Frau Hasmann außer Gefecht gesetzt wurde. Korrekt? Ergänzen Sie bei Bedarf!”

Ohne direkt hinzusehen wusste Brack, dass sich Unbehauns stahlblaue Augen in die seinen bohrten. Er nickte und es gelang ihm, seinen Fokus von den bedrohlich sirrenden Messern abzuwenden und den Blick des Magiers zu erwidern. “Die Zusammenfassung ist soweit richtig.” Durch die gewohnte Situation der direkten Konfrontation fiel es Brack leichter, gefasst und professionell zu bleiben. “Nach dem Ausfall von Frau Hasmann versuchten Mohrek und ich dann, Fiedler und den Geist zu verfolgen, wir gerieten aber in einen Hinterhalt und wurden abgehängt. Im Übrigen ist Mohrek schwer verletzt und kampfunfähig, aber immerhin stabil. Derzeit habe ich keine Spur, um die Verfolgung unmittelbar wieder aufzunehmen. Des Weiteren ist mir bewusst, dass die Operation von mir zu verantworten ist.” Er unterbrach seine Rede kurz, um Unbehaun die Möglichkeit eines Einwurfes zu geben, doch dieser sah ihn nur mit leicht angehobenen Augenbrauen auffordernd an, so dass er fortfuhr: “Mein nächster Schritt wäre wohl, mich bei meinen Kontakten und den einschlägigen Quellen umzuhören, wo die Gruppe um Herrn Fiedler als nächstes auftaucht. Wenn ich allerdings Fiedler richtig einschätze, wird es schwer ihn zu finden, wenn er nicht gefunden werden will. Haben Sie andere Anweisungen?” Brack verstummte in Erwartung einer ungewissen Antwort und konzentrierte sich darauf, seinen Blick nicht auf die kreisenden Klingen abgleiten zu lassen.

Einen ewigen Moment lang stand die Zeit still so lange Unbehaun schwieg, nur die sieben Dolche zogen ihre Bahnen - hypnotisch gleichmäßig, doch zu schnell, um ihre Konturen klar auszumachen. Dann zog ein rasch vergänglicher Anflug von Amüsement über das Gesicht des Magiers. “Andere Anweisungen? Was hat die ganze Sache denn mit Anweisungen zu tun? Haben Sie den Kopf zu Frau Vanderduhn gebracht - oder gar Frau Hasmann bei ihren Studien belassen?”

Brack zögerte eine klamme Sekunde, bevor er sich zu einem knappen “Nein.” durchrang. Eine längere Erklärung, wenngleich angemessen, hätte sein Gegenüber wahrscheinlich sowieso nicht geduldet. Darüber hinaus fand Brack rhetorische Fragen ermüdend und war sich im Grunde sicher, dass Unbehaun die Antworten schon längst kannte. Wie erwartet deutete der Magier ein Nicken an und dozierte weiter: “Was Sie mir gerade berichtet haben, geschah sicher nicht auf meine Anweisungen. Wie soll ich Ihr Vorgehen also betrachten, als Selbstüberschätzung oder als Insubordination?” Mit einer unterkühlten Geste wandte Unbehaun Brack den Rücken zu und machte sich an etwas auf seinem Schreibtisch zu schaffen, während er offensichtlich auf eine Antwort wartete.

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