22. Resolution (3)

Bevor Fiedler vollends realisieren konnte, was gerade geschehen war, erfüllte das wütende Aufröhren eines zornigen Voodoo-Gottes das Gewölbe. Mit geballten Fäusten stand Samedie vor dem Gehängten, seine Augen strahlten in schmerzhaft gleißendem weißem Licht und er brüllte laut auf. “Steinmeier! Rabenaas! Madenfraß! Ich werde dich kriegen, denn ich kriege jeden!”

Aus den Augenwinkeln bemerkte Fiedler, wie Brack und die Leute von Mitternacht eilig angesichts des tobenden Loas die Flucht ergriffen und in unterschiedliche Richtungen den Raum verließen. Mit aller Besonnenheit, die er aufbringen konnte, unterdrückte Fiedler den Reflex, ebenfalls hastig zu fliehen. Statt dessen beugte er sich zu Boden und hob die Seelenkapsel auf. Möglicherweise war Steinmeier gar nicht verrückt gewesen, sich zu opfern. Möglicherweise folgte er einem Plan - und Fiedler hatte nicht die Absicht, diesen Plan von vorneherein scheitern zu lassen. Außerdem schuldete er Giorgio die Seelenkapsel.

Währenddessen war Sina ungerührt (und wohl auch notgedrungen) in ihrem Bannkreis stehengeblieben und blickte dem Baron gelassen und etwas abschätzig ins Gesicht. Fiedlers Detektivverstand arbeitete: Eine Wesenheit wie Sina hatte von sich aus kein Interesse an den politischen Machtspielchen in Durnburg. Sie musste von jemand beschworen und beauftragt worden sein - nur von wem?

Plötzlich herrschte Stille im Raum. Fiedler sah auf. Der Loa stand immer noch in der gleichen Pose vor Steinmeiers totem Körper, doch aller Zorn war aus seinem Gesicht gewichen. Statt dessen machte sich dort ein schauriges Grinsen breit und breiter. Erst vereinzelt und zäh, dann heftig und brodelnd, wie Blasen aus einer Teergrube, begann der Ghede zu lachen. Weiterhin regungslos sah ihn Sina an und zog leicht indigniert die linke Augenbraue hoch. Sie sagte etwas, das Fiedler über das schallende Gelächter hinweg nicht verstehen konnte. Sofort ebbte das unmäßige Lachen ab und der großgewachsene schwarze Loa wandte sich zu der vergleichsweise fragil wirkenden gefangenen Sina um.

“Natürlich kann ein kleiner Menschengeist wie du meine Erheiterung nicht verstehen! Weißt du, Shi’anha, wenn man ein echter Loa ist, mit Volk und Anhängern und kein halbvergessener böser Geist wie du, dann muss man sich nicht immer so ernst nehmen. Und mal ehrlich - dieser Steinmeier Rabenaas Madenfraß hat mich nach Strich und Faden so gehörig verarscht, dass ich es fast schon wieder gut finde!” Er grinste jovial.

Es gelang Sina offensichtlich, die Provokation zu überspielen. “Ah. Ich nehme dann an, dass du ihn in deiner berühmten Gnade dann auch gehen lässt und ihm seinen Körper ohne alberne Tricks zurückgibst?”

1 Kommentar:

Stefan hat gesagt…

Chapeau, lieber Finn! Zugegeben, solch elegante Winkelzüge hätte ich Dir gar nicht zugetraut ;-)