14. Umgekehrt (2)


Die Angesprochene reagierte nicht sofort, dafür um so mürrischer. “So. Hat Sie Ihr kleiner Spaziergang auf eine bessere Idee gebracht, Herr Detektiv?”

"So ungern ich Ihre Vermutung bestätige, meine Dame, aber in der Tat, das hat er!" Mittlerweile war Fiedler nahe genug am Sockel des fehlenden Reittieres dran, um die befürchteten Details erahnen zu können: Im Gegensatz zu ihrer Umgebung bedeckte die aus der Sockelmechanik herausragenden Kunststoff- und Metallstreben keine matte, gesprenkelte Staubschicht. Stattdessen troffen von ihnen zähflüssige Fäden einer feucht glänzenden, gallertartigen Masse herab, an deren Enden tropfenförmige Ausläufer langsam die Vereinigung mit den klebrigen Pfützen am Boden darunter anstrebten.

"Schätze wir sind hier oben nicht alleine... und unsere unerwartete Gesellschaft könnte problematisch werden." Fielder verstummte und nur der sich langsam zu einem waghalsig schiefen Grinsen verziehende linke Mundwinkel illustrierte seine Gedanken. Möglicherweise war diese Gesellschaft aber genau die Überraschung, die sie zur Abwehr ihrer Verfolger nutzen konnten. Es war wie immer eigentlich nur eine Frage des richtigen Timings.

"Sina, wann erwarten wir schätzungsweise unseren Besuch aus dem Liftschacht?" Ohne sich umzudrehen machte er einen vorsichtigen Schritt rückwärts, dorthin wo er in einigen Metern Entfernung die Kabine des Fotoautomaten vermutete.

"Tja, anders als wir hier oben kommen die beiden im Schacht gut voran. Vielleicht eine oder zwei Minuten bis der erste da ist, dann geht es los. Übrigens bin ich im Rahmen Ihrer Kultur hinreichend anständig bekleidet und Sie dürfen mich bedenkenlos ansehen." Der versuchte Scherz vermochte Sinas angespannten und sarkastischen Ton nicht aufzulockern.

"Das trifft sich gut, denn ich beabsichtige, mir gleich den engen Raum dieser Passfotobude mit Ihrer Person zu teilen. Tun Sie mir den Gefallen: sparen Sie uns die Diskussion und machen diesmal einfach mit! Außerdem wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie meine Umgebung im Auge behalten könnten - insbesondere irgendwelche schattige Ecken."

Was auch immer hinter seinem Rücken geschah, es dauerte einen Atemzug und einige weitere Schritte, bis Sina mit hörbarer Verwunderung antwortete. "Ahm ... Rein hypothetisch, Herr Fiedler: Wären Sie überrascht, wenn sich über Ihnen an der Decke ein ziemlich unscheinbares blaues Spielzeugnilpferd an Sie anpirschen würde?"



Fiedler zuckte zusammen. Anfängerfehler! Mit einem Angriff von oben hätte er rechnen müssen. Die bisher geübte Vorsicht über Bord werfend beschleunigte er seine Schritte immer noch rückwärts auf die Fotokabine zu, weiterhin bemüht, den Blick nicht von den verbleibenden Plastikreittieren abzuwenden. "Das ist kein Spielzeug, Lady, das ist ein Monster! Halten Sie es auf!"

An Stelle einer Antwort setzte sich die Beschworene entschlossen und ohne Bedenksekunde in Bewegung. Mit ein paar schnellen kraftvollen Schritten glitt sie an Fiedler vorbei zur Wand und griff mit beiden Händen nach einem der unbenutzt herumstehenden Prospektständer. Im nächsten Moment schleuderte sie die Metallkonstruktion mit ihrem schmalen Körper unangemessener Gewalt nach oben in Richtung der Bedrohung, die sich immer noch in Fiedlers totem Winkel befand. Das Wurfgeschoss verließ sofort Fiedlers Sichtfeld, doch das hässliche Geräusch von brechendem Plastik, durchsetzt von feucht matschigem Kleckern und metallischem Scheppern signalisierte dessen Einschlag. "Treffer!" konstatierte Sina in nüchtern bis kokettem Ton, dann "Achtung, es kommt runter!".

2 Kommentare:

Katrin hat gesagt…

Sina hats einfach raus - wer hat sich nochmal diesen coolen Charakter einfallen lassen? *zwinker*

Bernhard hat gesagt…

Eine überaus coole, hübsche und bezaubernde Frau mit einem leichten Hang zu freundlich gewaltbereiten Charakteren, würde ich sagen. ;-)