17. Andere Anweisungen (1)

Schritt um Schritt stapfte Brack die schwarz glänzende Beton- und Kunststeintreppe des Bürogebäudes hinauf und mit jeder Stufe, die ihn seine schweren Stiefel näher an Unbehauns Büro herantrugen, wuchs das mulmige Gefühl in seinem Magen. Schon zum zweiten Mal innerhalb von zwölf Stunden musste er seinem Chef schlechte Nachrichten überbringen. Zu deutlich war ihm vom letzten Mal noch das peinigende Ritzen der schwebenden Klingen im Gedächtnis verblieben - selbst wenn an seinem Hals keine Spuren mehr davon zu sehen waren. Schmerzhaft verzog er das Gesicht, als er sich ausmalte, zu welchen Zornesausdrücken sich Unbehaun diesmal hinreißen lassen mochte, wenn er vom Scheitern seiner Pläne erfuhr.


Dabei hatte sich die Sache eigentlich gut angelassen: Nach der Schlägerei mit dem verstümmelten Troll auf der Neuen Schlosserbrücke war es einer erschöpften aber zuversichtlichen Irene Hasmann relativ leicht möglich gewesen, den Geist auszumachen, der den Troll so zugerichtet hatte. Die Spur hatte sie erst in eine Spelunke im alten Hafenviertel und dann in eine Art Spielhölle geführt. Nach kurzen aber intensiven Verhandlungen war dort ein Kerl namens Giorgio bereit gewesen, ihnen einen Aufzug zu zeigen, durch den offenbar kurz zuvor das von ihnen verfolgte beschworene Wesen zusammen mit Alexander Fiedler und einer weiteren Person geflohen war.


Ungefähr von diesem Moment an war dann aber alles schief gelaufen. Dieser verfluchte Aufzugsschacht! Mit grimmigem Schwung nahm Brack eine weitere Stockwerksplattform und setzte ohne Innehalten den Aufstieg die nächste Treppe hinauf fort.


Im Nachhinein betrachtet hätte er es merken müssen! Schon seit sie auch nur in die Nähe dieser Spielautomatenhalle gekommen waren, war Irene Hasmann irgendwie nervös und merkwürdig gewesen. Gut, er hatte sie gefragt, ob alles in Ordnung war, aber er hätte ihr verstocktes "Ja, sicher!" besser nicht nach dem Wortlaut, sondern nach ihrem Ton werten dürfen. Wie konnte er sich eigentlich von der idiotischen Annahme irreleiten lassen, Magier wären Herr ihrer selbst und würden schon wissen, was sie tun?


Ohne einen koordinierten Plan für eine Verfolgung der Flüchtigen abzuwarten, hatte sie auf eigene Faust einen Zauber in den Schacht geworfen, der die Flucht der Verfolgten "gehörig bremsen" sollte. Erneut war es einfach nur dämlich von ihm gewesen, sie trotz aller Warnsignale in ihrem Verhalten, wie etwa dieser ungewöhnlich selbstherrlichen Angeberei, nicht aufzuhalten! Kaum hatte sie die ersten zischenden Worte des Spruchs begonnen, war ihr offensichtlich jede Kontrolle entglitten. Was auch immer sie da an Magie wirkte, quoll als rasend schnell wachsende schwarzviolett leuchtende Wolke aus ihrem geöffneten Mund, ihren Augen und ihrer Nase und jagte surrend den Schacht hinauf. Dann war Hasmann einfach stocksteif mit ausgebreiteten Armen in der Lifttüre stehen geblieben, während ihre manifestierte Hexerei offenbar im Aufzugsschacht wie ein schwarzer Kugelblitz hin und her zischend von den Wänden und der Decke abprallte.

Wie er noch unschlüssig da gestanden hatte, unsicher, ob er sie nun gemäß seinem Diensteid beschützen oder in Ruhe zaubern lassen sollte, war Beil schneller und entschlossener gewesen: Mit einem knappen wohlplatzierten Hieb auf den Hinterkopf schlug der von hinten herangeeilte Scherge die Zauberin nieder und bewusstlos. Später hatte er Brack berichtet, der von ihm professionell (und natürlich gewaltarm) in Schach gehaltene Giorgio habe zuvor urplötzlich seinen Widerstand eingestellt, scheinbar als ihm klar wurde, dass die Hasmann eine Zauberin war, die sich gerade anschickte, Magie zu wirken. Stattdessen beharrte er nun eindringlich darauf, dass es zu ihrer aller Besten unbedingt nötig wäre, Irene Hasman auszuschalten, bevor sie ‘zum Spielball ihrer eigenen Hexerei’ würde. Offenbar war der Spielhallenbesitzer sogar bereit gewesen, einen Schwur darauf zu leisten, dass er ohne Hintergedanken die Wahrheit sagte und der sonst eher sture Beil hatte zugestimmt und zunächst sicherheitshalber Giorgio und dann eben Irene Hasmann aus dem Gefecht gezogen.

1 Kommentar:

Stefan hat gesagt…

Ah, nun erfahren wir, wie die Gegenpartei den letzten Vorfall erlebt hat... und vielleicht lichtet sich auch noch die ein oder andere weitere offene Frage?