20. Konfrontation (1)

"Was macht Sie eigentlich so sicher, dass Steinmeier nicht gleich blutend und schreiend aus der Dunkelheit stolpern wird, gefolgt von irgendeiner Monstrosität, die er unterwegs aufgegabelt hat?" Skepsis und Sarkasmus lagen in Sinas Stimme, als sie die minutenlange Stille in dem unterirdischen Gewölbe unterbrach. "Egal wie lange ich darüber nachdenke, die Idee, unser verwundbarstes Teammitglied alleine in den Seelenbrunnen zu schicken, scheint mir nicht gerade ideal."
In Fiedlers Miene ballte sich Unmut. "Hören Sie, Teuerste, wenn Sie gerade noch Wert auf 'Ideallösungen' legen, schätzen Sie die Situation massiv anders ein als ich. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Brack und seine Leute uns hier aufspüren, und wenn Sie nicht noch ein Ass aus ihrem manifestierten Ärmel zaubern können, haben wir nur diesen einen Versuch, die Seele der Kirchner zu meinem oder auch Ihrem Auftraggeber zu bringen. Wenn Sie das anders sehen, weil Sie mehr wissen, dann wäre es eine großartige Gelegenheit gewesen, Ihre Informationen mit uns zu teilen, bevor ich Finn allein in dieses vermaledeite Loch geschickt habe! Da Sie sich stattdessen in betont mysteriöses Schweigen gehüllt haben, mussten Steinmeier und ich zwangsweise ohne Ihre unsterbliche Weisheit entscheiden. Damit haben Sie Ihr Recht auf Einspruch und Gemäkel erst einmal verwirkt."
Sina neigte den Kopf und setzte einen distanziert arroganten Gesichtsausdruck auf. "Versuchen Sie mir damit zu sagen, was ich zu tun und zu lassen habe? Wir sprachen eben schon von schlechten Ideen und die Ihren werden nicht gerade besser. Glauben Sie, ich müsste Sie mit Samthandschuhen anfassen, Fiedler? Oder sind die der Meinung, dass das ein angemessener Umgangston mit Herrn Unbehaun selbst wäre?"
Fiedlers Augen funkelten zornig und verächtlich. "Ach, muss sich die Unsterbliche schon wieder hinter Unbehauns Rücken verstecken? Offenbar, meine Teuerste, hat Ihr geschätzter Herr Unbehaun Ihnen nichts, aber rein gar nichts über die Beziehung zwischen ihm und mir erzählt. Ich mag ihm vielleicht einen Gefallen oder auch mein Leben schulden, aber nichts desto trotz habe ich vor ihm weder Angst noch mehr Respekt als nötig. Was Sie angeht, Schätzchen, bin ich mir ziemlich sicher, dass Sie dabei sind, mich und Steinmeier irgendwie über den Tisch zu ziehen. Wie genau, kann ich gerade nicht sagen, aber die ganze Sache stinkt zum Himmel! Wenn nicht die von Radewitz den Vertrag verifiziert hätte...” Er stockte und die Wut in seinem Gesicht verging zu einem Ausdruck unwilliger Erkenntnis: “... verdammt, wir haben ein Problem!”

Überrascht ließ Sina von einer scharfen Entgegnung ab. “Wie bitte?”

Fiedler sah sich um ihn am Boden um, so weit das helle aber flackernde Licht von Sinas Zauber reichte. Seine Stimme klang gleichzeitig nüchtern und verärgert.  “Die Ratten sind weg. Das heißt, es droht Ärger. Normalerweise wären sie sicher geblieben, um einen guten Preis für den Rückweg auszuhandeln.” Er machte einen Schritt zurück in Richtung Wand. “Sehen Sie etwas? Ist der Schutzzauber dabei, sich mit uns anzulegen? Kommt etwas aus dem Brunnen?”
Mit wachsamer Haltung ließ nun auch Sina ihren Blick durch den Raum gleiten. “Auf den ersten Blick wirkt alles wie vorher. Der Geist in der Mitte des Raumes ist immer noch ein Vogelschwarm und wirkt allenfalls latent gefährlich, so lange wir hier außerhalb seines Einflusses bleiben...” Sie stutzte und sah konzentriert links an der Mitte des Raumes vorbei ; “warten Sie... da ist noch etwas... in der Dunkelheit verborgen...”
Wie zur Antwort zischte völlig unvermittelt etwas aus der Dunkelheit heran, ein knapper Einschlag war zu hören und mitten aus Sinas Brust ragte der schwarze Schaft eines Pfeils.

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