20. Konfrontation (3)

Zu Fiedlers Überraschung löste sich das Geschoß mühelos und ließ sich ohne Beschädigung oder Blutvergießen aus Sinas Körper entfernen. Offenbar hatte die Beschworene ihre physische Konsistenz entsprechend angepasst, in der Dunkelheit ließen sich jedoch keine Details ausmachen - und eigentlich war Fiedlers Interesse auch nur sehr begrenzt. Kaum hatte die Pfeilspitze das manifestierte Fleisch verlassen, glitt ein kurzer Anflug von Taubheit über Fiedlers Handflächen und der Detektiv musste einen Reflex unterdrücken, um den Pfeil nicht fallen zu lassen. Solche erahnten Empfindungen waren für gewöhnlich die Echos magischer Effekte, die gerade an ihm und seiner Immunität abglitten - und seiner Erfahrung nach gehörte ein ‘taubes Gefühl’ zu Lähmungen oder Bannzaubern. Fiedlers Logik sprang an und wägte ab: Ging man von einem gleichen Treffer wie bei Sina aus, hätte ihn ein der Pfeil alleine auch ohne magisches Nachsetzen ziemlich sicher außer Gefecht gesetzt oder sogar getötet. Was hätte es für einen Sinn gemacht, ihn dann noch zu paralysieren? Es bestand damit eine ernstzunehmende Wahrscheinlichkeit, dass das Geschoss in keinem Fall ihm gegolten hatte, sondern gezielt dazu gedacht gewesen war, seine nur bedingt stoffliche Begleiterin auszuschalten.
Das Räderwerk in Fiedlers Kopf arbeitete rasch. Objektgetragene Magie. Überlegtes Vorgehen. Männer als Kanonenfutter und eine Frau in der zweiten Reihe. Dazu der Regenschirm. Er wandte sich dorthin, wo er Sina vermutete. “Ich glaube ich weiß, mit wem wir es zu tun haben. Die werden mir vorerst nichts tun. Versuchen Sie mal, ein möglichst kleines Ziel abzugeben! Mal sehen, was passiert, wenn ich unseren Angreifern die Maske abreiße, indem ich sie beim Namen nenne - vielleicht gewinnen wir so Zeit für Steinmeier.” Er runzelte die Stirn. “Was auch immer das bringen mag.”
Sina zögerte, offenbar nicht gewillt, klein beizugeben. “Und Sie glauben, das bringt was? Wenn Sie von so einem Pfeil getroffen werden, bietet sich hier kaum die Gelegenheit, Sie zusammenzuflicken, Herr Fiedler!”
In Fiedlers Stimme klang drängende Ungeduld: “Herrgottnochmal,  vertrauen Sie mir endlich! Ich weiß, was ich tue! Durnburg ist mein Revier und ich will diesen verdammten Auftrag ohne unnötiges Blutvergießen auf unserer und deren Seite erledigen. Wenn ich mich irre, können Sie mich ja einfach sterbend liegen lassen - aber ich wette, Sie würden mich zusammenflicken, nur um mir danach zu erklären, Sie hätten es ja gleich gewusst! So, jetzt folgen Sie bitte meinem Rat und lassen mich arbeiten!”
Irgendwie war es nicht die schlechteste Entwicklung, dass eine Antwort von Sina ausblieb. Für langwierige Diskussionen blieb einfach keine Zeit! Er wartete einen Atemzug und setzte ein seiner Ansicht nach möglichst privatdetektivwürdiges Lächeln auf - wohl wissend, dass ihn wahrscheinlich niemand sehen konnte. Dann holte er Luft und sprach sein im Dunkel verborgenes Gegenüber mit fester gelassener Stimme an. “Victoria Thomas, nehme ich an? Ich gehe davon aus, dass ich Sie weder an den Durnburger Kontrakt erinnern muss, noch daran, dass auch die Führer von Mitternacht diesen unterschrieben haben.”

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