14. Umgekehrt (4)


Der harte Klang von schweren Stiefeln auf Stein unterbrach die drückenden Gedanken und hob seine Laune. Scheinbar waren ihre Verfolger pünktlich auf der Party angekommen. Nun wurde das Spiel spannend. Eine angestrengte Männerstimme war zu hören. "Ich bin drin, Chef, hier ist ..." Der Sprecher stockte kurz. "Kontakt! Mehrere Biester! Brauche Unterstützung! Sonst niemand zu sehen." Ein paar hastige Schritte und leises Klirren von Metall ließen ahnen, dass sich jemand kampfbereit machte. Daneben war nun tatsächlich das Scharren und Kratzen von vielen Beinen zu vernehmen. Die Einsiedler rückten an.

"Bleib an der Tür!" Eine zweite Männerstimme, tiefer, rauer aber auch atemloser und irgendwie weiter entfernt klingend als die erste, war zu hören. Entweder war die Aufforderung zu spät gekommen oder ungehört geblieben, denn unmittelbar darauf stürmten schwere Schritte an Fiedlers und Sinas Versteck vorbei. Sekundenbruchteile später klang ein kurzer Kampfschrei, dann der Aufprall von Metall auf harter splitternder Kunststoffschale.

Angespannt lauschend folgte Fiedler den Geschehnissen. Einer der Verfolger war an ihnen vorbei, wenn auch nicht weit. Hoffentlich war der zweite Mann im Lift nicht so vorsichtig, wie er sich anhörte - wobei ihm die Stimme entfernt bekannt vorgekommen war...

Draußen vor dem Lift waren deutliche aber etwas ungewöhnliche Kampfgeräusche zu hören. Immer wieder krachte Metall auf Plastik oder scharrte darüber. Dazwischen war das Keuchen und unterdrückte Anstrengungsgeräusche des menschlichen Kämpfers zu hören. Im Gegensatz dazu bestand der Beitrag der Einsiedler zur Geräuschkulisse des Kampfes fast nur aus Kratz-, Scharr- oder Knarzlauten, gelegentlich unterbrochen von feuchtem Schmatzen, dessen exakte Ursache sich Fiedler lieber nicht genauer ausmalen wollte.

"Chef, es wird eng! Ich brauch Rückendeckung!" Offenbar geriet der erste Verfolger in Bedrängnis - und seine Stimme tönte von irgendwo in der Halle, weit entfernt vom Aufzug.

An Stelle einer Antwort erklang aus Richtung der Aufzugstüre das charakteristische Klappern von Rüstung auf Stein, knapp gefolgt von Schnappen und Zischen, sowie dem Einschlag eines Armbrustbolzens. "Schon unterwegs, Mohrek. Ziehen Sie sich verdammt nochmal zurück! Die schneiden Ihnen den Weg ab!" Der zweite Verfolger keuchte heftig - eigentlich kein Wunder, wenn man davon ausging, dass er in Rüstung den Aufzugsschacht hinauf geklettert sein musste. Immer sicherer reifte in Fiedler die Erkenntnis, dass er die Stimme kannte, die in kurzen atemlosen Sätzen fortfuhr, während ihr Besitzer den Geräuschen nach vollständig aus dem Aufzug kletterte. "Wir zwei sind allein. Beil kommt nicht. Die Hasmann ist raus. Er bringt sie zurück zum Hauptquartier. Überhebliches Hexenpack!"



Fiedler riss die Augen weit auf, als ihm schlagartig klar wurde, wem die Stimme gehörte. Überrascht und verwirrt starrte er Sina an, riss sich dann aber zusammen und schwieg. Das war Lukas Brack - und Lukas Brack kannte er als die rechte Hand von Ebenezer Unbehaun. Wieso verfolgte Brack eine von Unbehaun legitimierte Beschworene und Gesandte? Hatte er die Seite gewechselt? Nein, nicht der Brack, den er kannte. Was war da faul?

Laut gellte ein Schmerzensschrei durch den Raum. "Teufel! Mein Bein!" Es klang, als wäre Mohrek, wie Brack gerade den anderen gerufen hatte, verletzt worden. "Durchhalten! Ich bin fast da!" Scheppernd und klappernd preschte ein Gerüsteter an der Fotokabine vorbei.

1 Kommentar:

Stefan hat gesagt…

Der Leser wußte es bereits, jetzt ist auch Fiedler im Bilde: Welches Interesse hat die liebe Sina an Frau Kirchner - oder hat sie sich gar nicht selbst befreit, sondern dient nun einem anderen Auftraggeber? Ich würde ja eher ersteres vermuten... in jedem Fall bleibt es spannend :-)