18. Ins Dunkel (7)

"Tun Sie, was Sie tun müssen, Steinmeier. Die Kapsel zu benutzen ist einfach: Fassen Sie sie an beiden Enden an, drücken Sie die beiden Hälften leicht gegeneinander und drehen Sie den oberen Teil etwa eine Viertelumdrehung im Uhrzeigersinn. Ein klassischer Bajonettverschluss eigentlich. Das ganze geht ohne Gewalt, versteht sich. Wenn Sie für das Drehen Kraft aufwenden müssen, machen Sie etwas falsch. Danach müssen sie nur noch Astrid dazu bewegen, in den Behälter hinein zu schlüpfen. Sobald eine Seele das Ding betreten hat, schließt sich der Mechanismus von selbst wieder und sie kann erst wieder entweichen, wenn jemand Körperliches die Kapsel wieder öffnet. Vielleicht bereiten Sie Astrid auf diesen Umstand vor, nicht dass sie sich unnötig gefangen fühlt."
Steinmeier nickte bedeutungsschwer und ließ die Hand mit der Seelenbehälter in der eigenen Jackentasche verschwinden. Wofür war dieses Ding eigentlich gebaut worden? Was tat man mit gefangenen Seelen? Wofür brauchte Fiedler denn wirklich Astrids Seele? Und wenn er schon Fiedler traute, was garantierte ihm, dass dessen Auftraggeber mit offenen Karten spielte? Was für eigene Interessen hatte denn Sina? Die Zweifel kehrten zurück, verblassten aber kurzerhand vor einem klaren Gedanken: Astrid hatte ausdrücklich gesagt, dass, wenn sie schon zurückgeholt werden sollte, dann am liebsten von ihnen. Es war also klar: Er würde tun, was er tun musste und das war, Astrid mit dieser Kapsel aus dem Brunnen zu ziehen.
Fiedler erwiderte sein Nicken und hielt ihm dann noch den Griff seiner Taschenlampe entgegen. "Da, nehmen Sie etwas Licht mit. Es wäre doch schade und dumm, wenn Sie in der Dunkelheit in den Brunnen fallen würden. Außerdem bin ich mir sicher, dass weder Paradox noch Zauberkraft unserer Beschworenen hier von einem kleinen Lichtzauber überstrapaziert werden. Nicht wahr Sina?"
"Danke." Ohne eine Antwort abzuwarten, nahm Finn den schwarzen Metallgriff der Lampe entgegen, registrierte die vielen winzigen Schrammen seiner kühlen Oberfläche und die klamme Feuchte, die sich nun von Fiedlers Händen nun auf seine übertrug. Irgendwie vermittelte das schwere Metall der Taschenlampe ein Gefühl von Sicherheit und Zuversicht, das er gerade mehr als gut gebrauchen konnte. Jetzt war ein guter Moment zu gehen.
"Wünschen Sie mir Glück ... und fragen Sie mich nicht, was Sie tun sollen, falls ich da nicht mehr rauskomme." Sein berühmt trotziges Rebellengrinsen aufsetzend sah sich Steinmeier noch einmal zu Sina um, die ihm ebenfalls aufmunternd zunickte. Dann setzte er sich in Bewegung dorthin, wo Sina zuvor die Mitte des Raumes angedeutet hatte und wo sich die Dunkelheit zu einem stofflichen Vorhang aus Schwärze verdichtete. Schwärze und Finstervögel.
Finstervögel, die ihn nicht sehen durften.
Er konzentrierte sich darauf.

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