23. Auf ein Wort (5)

Der Gesichtsausdruck der Gräfin konnte als “mitnichten amüsiert” umschrieben werden und ihre Stimme hatte an Schärfe und Härte gewonnen. “Was für ein Spiel treiben Sie hier, Herr Fiedler? Meine Zeit ist kostbar und ich habe Sie in Erinnerung als jemand, der sich auf die Kunst zur Sache zu kommen versteht. Bislang klangen Ihre Worte aber eher, als wollten Sie sich wichtig machen und mich vor Ihren Karren spannen. Korrigieren Sie diesen Eindruck oder hören Sie besser auf, meine Zeit zu verschwenden!” Mit inquisitorischer Eindringlichkeit nahm ihr Blick Fiedlers Augen in den Fokus.
Sein bestes Pokerface bemühend ging der Detektiv seine Optionen durch. Im Grunde hatte er ein Ultimatum gestellt bekommen: Klartext oder Schweigen. Andererseits hätte sie ihn nach seiner bewusst vagen Ansage auch einfach stehen lassen können. Zugegebenermaßen wünschte sich ein kleiner Teil von ihm, dieser Fall wäre eingetreten und er hätte sich mit seiner Vermutung grundlegend geirrt. Egal. Zeit für seinen nächsten Zug. Etwas mehr Verbindlichkeit in der Stimme ging er auf die Forderung seiner Gegenüber ein, seinerseits ihre Mimik und Körpersprache aufs Genaueste beobachtend:
“Ich bemühe mich nur um Ehrlichkeit, Gräfin, und wollte den Maßstab meines Anliegens möglichst schnell zurecht rücken. In aller möglicher Kürze: Heute morgen suchte mich eine Beschworene auf und gab mir den Auftrag, eine verstorbene Grenzgängerin - ein Medium - aus dem Totenreich zurückzuholen. Der Umstände halber konnte ich nicht ablehnen, aber um auf Nummer sicher zu gehen, ließ ich  die Echtheit des Auftraggebers hinter der Beschworenen überprüfen. Zu meinem Bedauern bestätigte mir Griselda von Radewitz als stadtbekannte Autorität die Identität und die Legitimation der Beschworenen, was mich dazu nötigte, den Vertrag letztendlich zu akzeptieren.” War da eine Reaktion zu erkennen gewesen, als er die Freifrau von Radewitz erwähnt hatte? Immerhin handelte es sich bei der guten Griselda um die Schwester der vor ihm stehenden Gräfin. Möglich - aber nicht sicher. Um nicht unnötig zu provozieren unterdrückte Fiedler den Reflex, einen Zug aus dem langsam verglimmenden Zigarillo zu nehmen und fuhr fort.
“Die Details meiner Nachforschungen tun an dieser Stelle nichts zur Sache. Relevant ist, dass sich am Schluss die besagte Beschworene und der angeblich hinter ihr stehende Auftraggeber überaus feindselig gegenüberstanden.” Ha! Diesmal hatte sich ganz sicher etwas im Gesicht der Gräfin geregt! Mühsam verbarg Fiedler seinen inneren Triumph.
“Sie können sich sicherlich vorstellen, wie überrascht ich von dieser Entwicklung war - und in was für eine schwierige Vertragslage ich damit geraten bin.” Er ließ eine Kunstpause entstehen, indem er mit einem etwas nervösen Zug den fast völlig erkalteten Zigarillo noch einmal aufglimmen ließ.

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