23. Auf ein Wort (7)

Fiedler nickte zustimmend. “Abgemacht, Frau Gräfin. Wenn Sie mir bei der Gelegenheit zusagen könnten, die Details, die ich Ihnen über den Auftrag und meine Nachforschungen gebe, ebenfalls diskret und vertraulich zu behandeln?”
“Selbstverständlich.” Auch die Gräfin nickte. “Meiner Erfahrung nach ließen sich für diesen speziellen Fall einige eher exotische Möglichkeiten konstruieren, wie Griseldas Erkenntnisfähigkeiten umgangen werden könnten. Handelte es sich bei der Beschworenen um eine wehrhafte Instanz mit starker Selbststruktur?”
Es fiel Fiedler nicht schwer, ein verständnisarmes Gesicht zu machen. “Ahm. Wehrhaft ist sie sicherlich. Ja. Was so etwas wie eine ‘Selbststruktur’ ausmacht, kann ich allerdings aus meiner Warte nicht beurteilen.”
Mit einer Geste wischte die Gräfin den unsicheren Teil seiner Antwort beiseite. “Wie dem auch sei. Falls Unbehaun ursprünglich ein anderes beschworenes Wesen ausgesandt hat, könnte die falsche Beschworene dieses Wesen überwältigt, bezwungen und subsumiert - es sich also einverleibt haben, wenn man das so sagen kann. Auf diese Art und Weise könnte meine Schwester durch die Anwesenheit des echten  im Inneren des falschen Geistes getäuscht werden.”
Nun war es an Fiedler, die Stirn zu runzeln. “Verzeihen Sie mir den Ausdruck - aber das klingt ein wenig abartig - wenngleich auch irgendwie plausibel.” Innerlich raufte er sich die Haare. Alles was die Gräfin gesagt hatte, bestätigte seinen Verdacht gegen sie, aber es gab nichts, an dem er sich - oder besser sie festhalten konnte. Zeit, den letzten Trumpf zu spielen. Er gähnte hinter vorgehaltener Hand und versuchte etwas abgeschlagen und erschöpft zu wirken (was ihm nicht schwer fiel). “Aber einmal unter uns gesagt: Ich warte mit Spannung darauf zu erfahren, wer diese falsche Beschworene denn auf Unbehaun und mich angesetzt hat. Dann werden wir auch erfahren, mit welchem Trick Ihre Schwester um ihren makellosen Ruf betrogen wurde.”
“Ach ja? Ist das so?” Das Interesse der Gräfin war offensichtlich geweckt und sie schien es entweder nicht für nötig zu halten oder es gelang ihr gerade nicht, diesen Umstand zu verschleiern. “Was macht Sie so sicher, dass Sie diese Informationen erhalten werden?”
Fiedler blieb bei seiner teils-gespielten Erschöpfung, behielt seine Gegenüber aber peinlichst genau im Auge. “Wie ich schon sagte: Es gab eine Konfrontation zwischen Unbehaun und der Beschworenen und am Ende ist es Unbehaun und seinen Leuten gelungen, das Wesen weitgehend intakt in ihre Macht zu bekommen. Wenn ich es richtig verstanden habe ist geplant, morgen früh die Beschworene in einer Art Verhör auseinanderzunehmen. Wie wörtlich das auch immer gemeint sein mag.” Was sie da hörte, gefiel der Gräfin offensichtlich gar nicht. Die Sorgenfalten waren etwas tiefer geworden und in ihren Augen hatte sich der Unmut in einen Anflug von Entsetzen verwandelt. Zeit noch eine Schippe drauf zu legen:
“Damit wird sich wahrscheinlich auch das Dilemma meines Auftrages klären. Wenn die Identität der Beschworenen erst als Fälschung bewiesen wurde, dürfte ein einfaches Aufsuchen eines vom Rat ermächtigten Schiedsgerichtes reichen, um mich meiner Pflichten ihr gegenüber zu entbinden. Dann kann ich endlich die Seele des Mediums wie vereinbart an Unbehaun persönlich übergeben und die Sache ist wieder im Lot.”
Bevor er fortfuhr, straffte Fiedler seine Haltung wieder und blickte der überrumpelten Gräfin ins Gesicht. “Mein Anliegen an Sie ist also allein, dass Sie Vorbereitungen für die Flut an Schwierigkeiten treffen sollten, die morgen über Ihre Schwester hereinbrechen dürften. Alles weitere liegt in den Händen von Libra et Liber, dem Rat und der Person, die mir die falsche Beschworene auf den Hals gehetzt hat.”
Er verlieh seiner Stimme einen auffordernden Unterton. “Selbstverständlich würde ich auch meine Hilfe anbieten, so lange dadurch meine Interessen und Verpflichtungen gewahrt werden. Gerne auch unter einem Versprechen der Diskretion. Ich frage mich nur, ob Sie sich in der Lage sehen, meine Hilfe zu benötigen…” Der Satz verklang im sanften Abendwind.

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