23. Auf ein Wort (8)

Im Laufe von Fiedlers letzten Worten hatten sich die Augen der Gräfin zu schmalen argwöhnischen Schlitzen verengt und das Entsetzen war wohl kontrollierter Wut gewichen: “Spielen Sie mit mir, Fiedler?”
Den Zorn einer der mächtigsten Personen der Stadt auf sich zu ziehen war sicher keine gute Idee. Trotzdem hoffte Fiedler, das Schlimmste noch vermeiden zu können. Er wählte die Ehrlichkeit als seine Waffe.
“Aufrichtig gesagt: Ja. Aber wenn Sie es gestatten, biete ich Ihnen ein Remis an.”
“Ein Remis? Wir spielen also Schach?” Die Augenbrauen der Gräfin hoben sich zu schmalen skeptischen Bögen über ihren grauen Augen. “Sprechen Sie weiter - aber schwören Sie mit ihren ersten Worten Vertraulichkeit in dieser Sache.”
Damit hatte Fiedler gerechnet. “Ich schwöre, dieses Angebot und diese Unterhaltung für mich zu behalten, als hätte ich sie vergessen. Ich verspreche weiterhin Vertraulichkeit und Schutz Ihres Namens nach meinen Möglichkeiten, sollten Sie mein Angebot annehmen.”
Die Gräfin wirkte zufrieden und er sprach weiter: “Mein ursprünglicher Auftrage ist dummerweise durch die Un-Einigkeit meines Auftraggebers unerfüllbar und hinfällig geworden. Es bleibt mir also nichts als zu Improvisieren und mich um die Grundlagen zu kümmern: Mein erstes Ziel ist daher die Unversehrtheit meines Klienten. Dem gültigen Wortlaut des Vertrages nach sind das derzeit sowohl Ebenezer Unbehaun als auch die Beschworene. Um Unbehauns körperliches Wohl mache ich mir keine ernsthaften Sorgen. Ich habe aber Grund zu der Annahme, dass der Auftrag zur Beschaffung der Seele des Mediums vom Rat an seinen Bund vergeben wurde. Wenn Unbehaun also versagt, würde das einen Gesichtsverlust für Libra et Liber bedeuten und eine Gefahr für seine Position und Zukunft. Das möchte ich vermeiden und dafür muss ich entweder Unbehaun die Seele zukommen lassen oder Sie kümmern sich darum, dass der Gesichtsverlust auch ohne Übergabe der Seele ausbleibt.”
Fiedler machte eine kurze Pause, prüfte noch einmal die Logik seiner nächsten Worte und fuhr fort: “Im Fall der Beschworenen fürchte ich um deren physische oder astrale Unversehrtheit, sofern man das so beschreiben kann. Sorgen Sie dafür, dass sie aus Ihrem Beschwörungspakt entlassen wird und nicht von Unbehauns Magiern verhört werden kann. Ach ja - und nur wenn dieses Verhör ausbleibt, kann ich es überhaupt verhindern, dass Unbehaun die Seele des Mediums erhält.”
Solche Forderungen und Erklärungen hasste Fiedler eigentlich wie die Pest und er hoffte, sein lange geübtes Pokerface könnte die wachsende Nervosität überspielen. Widerwillig ließ er sich dazu hinreißen, das Metallröhrchen aus seiner Tasche zu ziehen, in dem er den Zigarillo überreicht bekommen hatte und seine ruhelosen Finger damit zu beschäftigen. Dementgegen hatte seine Gegenüber Gestik und Mimik wieder völlig unter Kontrolle und lauschte ernst und professionell interessiert seinen Ausführungen, untermalt von gelegentlichem verstehenden bis abschätzigem Nicken.
“Mein zweites Ziel ist etwas altruistischer, nämlich, dass die Seele des Mediums nicht als Objekt behandelt wird.” Nur in Gedanken fügte er hinzu “und die von Steinmeier auch nicht”, während er weitersprach: “Frau Kirchner soll selbst entscheiden können, für wen und für welche Parteien sie ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten zur Verfügung stellt. Ich halte sie für so klug, sich unter den Schutz des Rates zu begeben - aber das Ob, das Wie und das Warum soll ihre eigene Sache bleiben. Wirken Sie auf den Rat ein, um diese Entscheidung herbeizuführen. Wenn jemand in Durnburg genug Einfluss hat, dann Sie. Im Ausgleich dazu dürfte sich das Medium davon überzeugen lassen, die Geschehnisse des letzten Tages auf sich beruhen zu lassen.”

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