11. Automatismen (2)

Entsprechend Fiedlers Erwartungen fror Sinas Gesichtsausdruck kurzzeitig ein, allerdings nur um sich postwendend mit einem Anflug von Genusserwartung in ein nahezu damenhaftes Lächeln zu verwandeln. "Ah. Ich höre schon, der Mann hat Manieren. Genauer gesagt, die Manieren eines betrunkenen Kameltreibers. Nun kommen Sie schon seiner freundlichen Aufforderung nach, stellen uns notgedrungen vor, gefährden seine ... ‘Score’ ... und sehen dabei zu, dass Sie Ihre Geschäfte flott abwickeln. Schließlich habe ich nicht vor, die ganze Nacht mit einer von Ihnen geführte Tour durch das mechanische oder magische Kuriositätenkabinett Durnburgs zu vertrödeln!"

"Was immer Sie wünschen, meine Dame." Fiedler zuckte gleichgültig mit den Schultern "Wenn Sie sich in der Nähe von anderen Kuriositäten nicht wohl fühlen..." Er ließ den Satz unvollendet und schlenderte stattdessen in die Richtung von Giorgios Stimme, aus der nun ein kehlig heiseres Lachen drang, untermalt vom Klingeln, Piepen und Schlagen eines professionell bespielten Flipperautomaten. Hinter der nüchtern sarkastischen Fassade arbeitete es aber in seinem Kopf: Merkwürdig... War das ein Anflug von Eile, der gerade in Sinas Worten aufgekommen war? Was mochte die Ursache sein? Fühlte sie sich etwa in der Gegenwart der Automaten unwohl? - Unwahrscheinlich. Gab es einen Zeitplan, von dem er nichts wusste? - Denkbar. Warum hatte sie sich nicht früher etwas anmerken lassen? War etwas geschehen?
Hing das mit ihrem seltsam verspielten Interesse an Steinmeiers Gabe zusammen?

Seine Überlegungen wurden beendet, als sich ein paar Schritte vor ihm Giorgios im Rhythmus der Flipperklänge zuckende Silhouette durch das flimmernde Halbdunkel abzeichnete, immer wieder erhellt durch von schrillen Tönen begleitete Lichtsignale des Spielgerätes vor ihm. Ohne sich umzudrehen oder auch nur die lässig an den Automaten gelehnte Haltung aufzugeben nickte die drahtige Gestalt und schaffte es dabei irgendwie, würdevoll und gönnerhaft zu wirken. "Was gibt's Fiedler? Geschäft? 'N Spielchen? Zickenprobleme?" Rauhes trockenes Lachen brandete auf und verklang sofort wieder.

Fiedler's Stimme und Gesicht war die Professionalität in Person. "Die Lady ist nicht das Problem, Giorgio, und das Spielchen müssen wir auf wann anders verschieben." Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass Sina trotz aller Anspielungen und Reize aufgehört hatte, Giorgio und seine düstere Spielhalle neugierig und spöttisch zu mustern. Statt dessen wandte sie sich immer wieder in Richtung des Eingangs und ließ diesen nicht mehr aus den Augen. Erwartete sie Verfolger? Unterstützung? Einerlei, vorerst wurde sein Plan weiterverfolgt. "Geschäft, Giorgio. Wir brauchen eine Seelenkapsel - und ich weiß aus sicherer Quelle, dass du so ein Ding besitzt."

Für einen Moment wurde der Takt unruhig, den der drahtige Mann vor Fiedler auf dem Flipper schlug und stieß. Dann, mit kurzer Verzögerung nickte Giorgio erneut. "Ja, so etwas kann ich besorgen. Aber das wird teuer!"

"Ich will nicht, dass du das Ding besorgst, ich hätte gerne deines." Bevor sein Gegenüber etwas erwidern konnte, setzte Fiedler nach: "Als Bezahlung lege ich ein Wort bei Uhrwerk für dich ein und sorge dafür, dass sie dich in Ruhe lassen, jedenfalls so lange das jetzige Zentrum im Amt ist. Außerdem hast du 'nen weiteren Gefallen bei mir gut, sollte ich dir das Teil nicht wohlbehalten innerhalb eines Jahres zurückbringen." Fiedler blickte ernst. Sehr ernst.

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