12. Auf ab Wege (1)

Das mechanisch scharrende Geräusch, mit dem sich hinter ihm die schäbigen Aufzugschiebetüren ruckelnd schlossen und damit das Klang- und Lichtgewitter aus Giorgios Automatenhölle aussperrten, jagte Fiedler einen unangenehmen Schauer über den Rücken. Seit dem Betreten der Kneipe war in ihm ein unangenehmes Gefühl aufgestiegen wie eine düster drohende Wolke am Abendhimmel. Sinas offensichtliche Besorgnis und Eile, verbunden mit ihrer zunehmenden Wortkargheit und Anspannung, machten die Sache nicht besser. Eine kommandogewohnte Fregatte, die nervös und unsicher wird? Für gewöhnlich reizte ihn so etwas sonst eher zum Schmunzeln, Sarkasmus und Spielchen. Wenn die betreffende Dame allerdings relativ unsterblich und zudem nicht aus Fleisch und Blut gemacht war, dann bedeutete eine erwartete "Gesellschaft", vor der sie Respekt oder sogar Angst hatte, einfach nur 'ne Menge potentiellen Ärger.

Zumindest von Fiedlers aktueller Umgebung schien erst einmal keine unmittelbare Bedrohung auszugehen: ein geschätzt drei mal vier Meter messender Aufzug, in gelblich trübes Licht getaucht, mit dunkelbraun meliertem Teppich an den Wänden, altersklebrigem vergilbtem PVC-Fußboden sowie angelaufener Metallgitterdecke. Die erleichternd alltägliche Erscheinung zerstreute seine ursprünglichen Befürchtungen bezüglich eines von Giorgio "getunten" Liftes mit sirrenden Räderwerken, Hebeln und pneumatisch zuckenden Maschinen. Als dann noch der spröde Plastikknopf für den 12. Stock auf seinen beherzten Fingerdruck hin bereitwillig aufgeleuchtet war und sich Türen und Aufzugskabine in Bewegung gesetzt hatten, ließ Fiedlers Anspannung auf ein erträgliches Maß nach.

Keine akute Gefahr - und höchste Zeit, ein paar Dinge zu klären. Den nervös um die Gelegenheit zu einer Frage heischenden Steinmeier ignorierend, wandte er sich zu Sina: "Lady, wir müssen reden."

Sinas Miene war bestenfalls als widerwillig zu bezeichnen. "Dann reden Sie doch am besten mit Steinmeier und erklären Sie ihm, was Sie mit diesem neuen Kapsel-Spielzeug vor haben! Ich glaube kaum, dass er aufmerksam genug ist, wenn er gleich in Metropolis vor den Ratten davonrennt."

"Hey, lasst mich aus euren Hund-und-Katz-Spielchen raus!" Steinmeier war gereizt und verwirrt. "Außerdem haben wir diese superwichtige Kapsel doch gar nicht bekommen - und eigentlich will ich der steroidgedopten Roboterwanze auch lieber nicht nochmal begegnen."

Sinas Gesicht verlor etwas Unmut und nahm einmal mehr raubkatzenartige Züge an. "Ach mein lieber Finn. Wenn Ihre Naivität nicht gespielt sein sollte, um irgendwie niedlich zu wirken, dann haben Sie offensichtlich keinerlei Ahnung davon, wie es hier an der Grenze läuft!" Ohne eine rational erklärbare Ursache begannen auf einmal ihre Haare dramatisch wirksam in einem nicht existierenden Luftstrom zu wehen, als sie sich dem Schauspieler mit schicksalssprechender Geste zuwandte.

"Was die beiden Herren dort unten in ihrer männlich lässigen Art mit Schweiß, Spucke und was weiß ich welchen Schmiermitteln besiegelt haben, ist ein Handel - oder besser gesagt ein Pakt. Ein Pakt gilt und ich schätze diesen Giorgio so ein, dass er unter seiner rauen aber etwas beschränkt wirkenden Schale eigentlich durchaus weiß, was er tut. Er wird sich also tunlichst darum kümmern, dass sein Teil des Handels wie vereinbart erfüllt wird, damit ihn keine Konsequenzen treffen ... und natürlich auch, damit unser Herr Fiedler seinen Teil einhalten muss."

Mit amüsiert überheblich gehobenen Augenbrauen fügte sie hinzu: "Falls Sie jedoch ein Wiedersehen mit dem animierten mechanischen Replikat einer Schabe um den Schlaf bringen wird, dann sollten Sie am besten über einen ziemlich guten Verdrängungsmechanismus verfügen. Alternativ dazu könnten Sie Herrn Fiedler sicher darum bitten, sie möglichst schmerzlos bewusstlos zu schlagen..." Während sie das Ende des Satzes verheißungsvoll lose im Raum hängen ließ, fokussierten sich ihre Augen irgendwo hinter Steinmeier auf einen Punkt, der mittlerweile auch Fiedlers Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte.

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