10. Andere Saiten (5)


Schließlich schien die Kreatur ihre absurde Geburt aus der Brücke vollendet zu haben. Die eiterblasenübersäten Trolllippen verzerrten sich zu einem geifernden, gurgelnden Grinsen und ein massiges von zerschlissenem schwarzbraunem Fell bedecktes Bein stieg aus dem Krater im Brückenboden. Jetzt oder nie. Brack hatte zwar noch nie ein Wesen, wie diesen Zwittertroll gesehen, aber er hatte eine verdammt gute Theorie, was es war. Von Theorien hielt er nicht viel - also wurde es Zeit, zur Praxis überzugehen.

Ohne einen Kampfschrei oder sonst eine Ankündigung, dafür mit um so mehr Kraft, schleuderte er den Beutel, den seine Linke umklammert gehalten hatte und traf die Monstrosität mitten auf die Brust. Die dünne Hülle des Säckchens zerbarst und setzte eine Wolke von Stahlspänen und Salzkörnern frei, während gleichzeitig eine Ampulle mit Weihwasser zerschellte und ihren Inhalt über das Ding vergoss. Gleichzeitig duckte sich Brack, machte einen Ausfallschritt nach vorne und die Magie seines Schwertes knisterte vorfreudig, als es in einem wuchtigen Schlag gegen das exponierte Trollbein geführt wurde.

Ein satter Ruck, die Klinge traf auf Fleisch und Knochen (oder was auch immer) des Trolls. Ein kurzes aggressives Zischen magischer Entladung und in das wütende Aufheulen der zweiköpfigen Kreatur nach dem Aufprall des Beutels legte sich mehr Kraft und ein schmerzhafter Unterton. Offenbar hatte Brack sein Ziel nicht nur getroffen, sondern es fühlte den Treffer auch. Aus Bracks Sicht war das einerseits gut, denn schließlich war nicht jedes Wesen durch ein einfache magisches Schwert zu tangieren - andererseits bedeutete es aber auch, dass er sich nun der vollständigen Aufmerksamkeit des Monstrums sicher sein konnte.

Kein stehendes Ziel bieten!

Die Schwungbewegung des ersten Hiebes fortführend versuchte er, weniger elegant als effizient, unter der wild und unkontrolliert rudernden Trollpranke hindurchzutauchen, wobei er aus den Augenwinkeln zu seiner Verwunderung feststellte, dass sein Hieb deutlich weniger Wirkung gezeigt hatte, als erwartet. Zwar schien der Treffer das Ding verletzt zu haben, jedoch war es nicht einmal aus dem Gleichgewicht geraten - worauf er eigentlich gehofft hatte.

Die Angriffsserie fortsetzen!

Bracks routiniert wirkender Bewegungsablauf endete kurz hinter dem breiten von warzenartigen Hornauswüchsen übersäten, räudig schwarz bepelzten Trollrücken, den Körper in leichter Drehung angespannt wie eine Uhrwerksfeder, das Schwert stoßbereit an der Seite. Wenn ein Schlag ins Bein nur schmerzte, war ein Stich in den Rücken sicher nicht verkehrt.

Rasch, bevor der schwerfällige Gegner sich umdrehen kann!

Kraftvoll zuckte der matte, mit schwarz öligem Blut und Haaren verschmierte Stahl der Klinge auf sein Ziel zu. Erst, als er die Bewegung nicht mehr aufhalten konnte, merkte Brack, dass er etwas übersehen hatte. Während der massive Körper des Trolls sich erst jetzt mit Wanken anschickte, dem beweglichen und unerwarteten Peiniger Paroli zu bieten, war der groteske Puppenkopf auf dessen Schulter Bracks Bewegungen offenbar gefolgt und starrte ihn aus unmöglich schwarzen, herausgebrochenen Augenhöhlen an.

Dem Unerwarteten lieber ausweichen als es parieren!

Noch in der Stoßbewegung begriffen, ließ Brack sein linkes Bein einknicken und setzte dazu an, über die Schulter abzurollen. Zu spät. Mit einem hässlichen Knacken klappte der Unterkiefer der Puppe ruckartig herunter und spie eine gelblich braune nach Schwefel und verbranntem Kunststoff stinkende Wolke aus und bevor er sich in Sicherheit bringen konnte, war Brack von den beißenden Schwaden verschlungen.

Wie Feuer brannte der gelbliche Nebel in Bracks Augen und Atemwegen und seine Koordination geriet durcheinander. Mühsam wendete er den drohenden Sturz ab und blieb gerade so auf den Beinen. Gleichzeitig informierte ihn das schmerzhafte Aufglühen des Talismans auf seiner Brust darüber, dass gerade irgend eine Form von schadhafter Magie abgewehrt würde. Das war ja noch mal gut gegangen - aber der Schutzzauber war nun verbraucht.

Greift dich etwas mit Atem oder Blicken an, führt der kürzeste Fluchtweg nach vorne!

Bevor der gute Ratschlag seiner inneren Stimme umgesetzt werden konnte, wallte das giftgelbe Wabern einmal auf und eine riesige Trollpranke fuhr aus dem nirgendwo heran und traf Brack breitseits an der Flanke. Knackend gaben einige Rippen dem gewaltigen Hieb nach, als Brack von den Füßen gerissen und mehrere Meter über die Brücke geschleudert wurde, bevor er mit dumpfem Krachen an einen der Stahlpfosten schmetterte. Jahrelang hatte er versucht, sich anzutrainieren, trotz Schmerzen nicht zu schreien - aber diesmal kam er nicht in Versuchung, denn sein zerschlagener Körper war nicht mehr dazu in der Lage. Langsam sackte Brack am Fuß des Brückengeländers zusammen und ein breites Blutrinnsal sickerte aus seinem Mund, als er verzweifelt versuchte, bei Bewusstsein zu bleiben.

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