"Wie
ausgesprochen stilsicher!
Ich bin beeindruckt." Das amüsierte Lächeln, welches seit dem
Aufbruch aus Fiedlers Büro nie
vollständig von Sinas
Gesicht gewichen war wuchs zu einem breiten Grinsen. "Hat
das Reinigungspersonal in
eurem schicken neuen Jahrtausend jetzt Nebenjobs als Notare
für Grenzgänger?"
"Tja,
meine Liebe, lassen Sie sich überraschen. Gerade Frauen in Ihrem
Alter sollten wissen, dass der äußere Schein nur all zu oft trügt."
Befriedigt realisierte Fiedler, dass Sinas Mimik von Erheiterung zu
leichter Empörung wechselte.
Mittlerweile
hatte Gruppe von etwa einem Dutzend
junger Frauen (allesamt in orangefarbenen
Trikots mit der Aufschrift "Tinas Jungesellinnenabschied"),
ihre
vollständige Blockade des Toilettenhäuschens aufgehoben und verzog
sich fröhlich schnatternd in Richtung Rathauscafé. Mit kurzem
Schulterblick versicherte sich Fiedler, dass sie gerade keine
besondere Aufmerksamkeit auf
sich zogen, nickte zufrieden, schritt auf die Türe "Sonstige
Besucher" zu und hielt sie mit einer galanten Geste für Sina
offen. "Nach Ihnen, gnä' Frau..."
"Für
einen Grenzgänger sind Sie ganz schön besorgt, nicht bei
Grenzgängerdingen beobachtet zu werden. Achten wir darauf, unser
Paradox niedrig zu halten, Herr Fiedler?" Der
Spott war zurück in Sinas Stimme.
"Man
tut, was der Beruf verlangt." Als die Türe hinter ihnen ins
Schloss fiel, standen die beiden in einer von dämmrigem Notlicht
erleuchteten Kammer, an deren kahlen Betonwänden einige Besen und
Reinigungswerkzeuge in vorhängeschlossgesicherten Gitterkäfigen ihr
tristes Dasein fristeten. Gegenüber des Eingangs befand sich gleich
noch eine Türe, diesmal aus schwarzem matten Metall - mit einem
geschlossenen Sichtschlitz in Augenhöhe.
Auf
energisches Klopfen seitens Fiedlers erklangen von der anderen Seite
erst gedämpft ein
paar schwere Schritte, wie von Stiefeln auf Steinboden in einem
großen Raum, dann glitt der Sichtschlitz mit aggressivem Zischen auf
und enthüllte ein Gitter, hinter dem eine spiegelnde Glasfläche das
fahlgrüne Licht der Deckenlampe in
der Abstellkammer reflektierte.
"Ja?" Die Männerstimme, die hinter der Tür hervor
klang war klar und deutlich
hörbar - und wirkte überraschend höflich und freundlich.
"Alexander
Fiedler und ein Gast. Ich bin zur Verifikation eines Dokumentes hier
und die Dame in meiner Begleitung ist eine Beschworene meines
Auftraggebers." Nach einem kurzen Seitenblick zu Sina fügte er
lächelnd und mit höflichem Bedauern hinzu: "Leider kann ich
nur für meine Person bürgen - über Absichten und Fähigkeiten
meiner Begleiterin bin ich nicht informiert."
Wahrscheinlich
war es nur seine Magieimmunität, die ihn davor rettete, von Sinas
bloßen Blicken getötet zu werden, doch die Stimme auf der anderen
Seite der Türe schien völlig unbeeindruckt. "Herr Fiedler und
ein beschworener Gast. Sehr wohl. Haben Sie bitte einen Moment
Geduld, ich melde Ihren Besuch." Mit erneutem fiesen Zischen
schloss sich der Schlitz und Schritte entfernten sich.
In
Sinas Stimme lag mehr als nur
ein bisschen Fauchen: "Diese
Bemerkung war äußerst unangebracht, Herr Fiedler! Ich dachte, Sie
hätten verstanden, dass Sie mich als Repräsentanten Ihres
Auftraggebers behandeln sollen! Etwas mehr Respekt hielte ich für
durchaus angemessen."
Fiedlers Gesicht
war die Unschuld selbst, während in seiner Stimme ein leises Lachen
mitklang: "Aber aber, meine Liebe, nun fahren Sie doch nicht
gleich aus Ihrer selbstgemachten
Haut! Natürlich behandle ich
Sie genau so, wie ich Herrn Unbehaun als meinen Auftraggeber
behandeln würde - aber erst sobald sich die Sache als sauber
herausgestellt hat. Bis dahin sind Sie für mich ein potentielles
Risiko, das ich meinen Geschäftspartnern nicht einfach so aufbürden
möchte. So viel Professionalität muss sein, finden Sie nicht?"
Bevor Sina etwas entgegnen konnte, näherten sich
wieder die Schritte von jenseits der Türe. "Herr Fiedler und
die beschworene Dame werden bereits erwartet. Ich bitte einzutreten!"
Bei den letzten Worten schwang die Türe lautlos auf
und enthüllte den Blick durch einen beiseite gezogenen Vorhang auf
ein durch bunte hohe Glasfenster mit farbigem Zwielicht erfülltes
hohes gotisches Kirchenschiff.
Mit leisem anerkennendem Pfeifen ließ Fiedler
etwas Luft zwischen den Zähnen entweichen. "Sie hat umdekoriert
- nicht schlecht! Die Geschäfte müssen gut laufen!"
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