3. Sonstige Besucher (3)


War da ein momentaner Anflug von Anspannung bei seiner beschworenen Begleiterin erkennbar gewesen? Fiedler musterte sie so unauffällig wie möglich. Nein, Sina wirkte gelassen und ruhig - und hatte offenbar seinen Blick bemerkt, denn sie zwinkerte ihm verschwörerisch zu, während sie mit leisen Schritten weiterging.

Am Beichtstuhl angekommen teilten sich schwere Samtvorhänge und alte dicke Holzbohlen pochten und knarrten leise unter ihren Schritten beim Betreten des Gestühls. Vor ihnen hatte Frau von Radewitz im muffigen Dämmerlicht schon eine unauffällige hölzerne Tür an der Rückwand geöffnet und hielt diese für ihre Kunden geöffnet. Der dahinterliegende durch drei Kronleuchter und mehrere Kerzen erhellte fensterlose Saal im Stil der Renaissance kontrastierte deutlich mit der Erwartung, die an das Hinterzimmer eines Beichtgestühls gestellt werden könnte - was aber offenbar keinen der Anwesenden störte. Mittig im Raum unter dem größten der drei Lüster stand auf dem kunstvoll in schwarz weißen Mustern gelegten Marmorboden ein Tisch, groß genug für acht oder zehn Personen, dessen polierte Platte ebenfalls aus Marmor bestand.

Griselda von Radewitz hiel zielstrebig auf das entfernte Ende der Tafel zu. „Nehmen Sie doch bitte beide Platz! Es freut mich, Sie einmal mehr als meinen Kunden begrüßen zu dürfen, Herr Fiedler. Ich nehme an, Sie haben das zu prüfende Dokument bei sich?“

„Das zu prüfende Dokument? Darf ich daraus messerscharf kombinieren, dass Sie uns nicht nur erwartet haben und über die Person meiner Begleiterin im Vorfeld informiert waren, sondern, dass Sie auch schon wissen, worum es geht?“ In Fiedlers Stimme schwang mehr als eine Spur von Ironie mit?

Griselda lachte kurz und angemessen: „Ich denke nicht, dass diese Schlussfolgerung eine große Herausforderung für Ihre legendären detektivischen Fähigkeiten war. Natürlich haben Sie Recht: Ihr Anliegen ist mir bereits angekündigt worden.“ (Fiedler notierte routinemäßig, dass sie es stets vermied, die seit der Ankündigung verstrichene Zeit zu erwähnen.) „Mir ist auch klar, das mein Vorwissen in der Angelegenheit mich im Grunde nicht vertrauenswürdiger macht. Allerdings denke ich, Sie arbeiten lange genug mit mir zusammen, um sich meiner Integrität sicher sein zu können. Sollten Sie natürlich aus irgendwelchen Gründen Zweifel hegen, steht es Ihnen selbstverständlich frei, die Dienste eines anderen Experten in Anspruch zu nehmen – ich werde es Ihnen sicherlich nicht krumm nehmen.“

Schon bevor sie den letzten Satz vollendet hatte, schüttelte Fiedler den Kopf: „Ihre Integrität will ich nun wirklich nicht anzweifeln, Frau von Radewitz, und wenn ich an unsere bisherigen Geschäfte zurückdenke, sehe ich auch keinen Grund dafür. Außerdem,“ ein sarkastischer Zug schlich sich um Fiedlers Mundwinkel, als er mit einem Seitenblick auf Sina fortfuhr „scheint der Verfasser des zu prüfenden Dokumentes Ihre Dienste bereits im Voraus gebucht zu haben, was mir die üblicherweise lästige Diskussion um die Spesenabrechnung erleichtert.“ Mit leicht großspurig wirkender Geste fischte Fiedler den Umschlag aus der Innentasche seiner Lederjacke und platzierte ihn vor sich auf dem glänzenden Marmor der Tischplatte. „Voilà. Das zu prüfende Dokument.“  

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