5. Brückenschläge (5)


Das schlug ein. Beinahe wäre Finn rückwärts in die Elm gestolpert, als sich in seinem Kopf die Bedeutung von Fiedlers Worten zusammensetzte. "Astrid? Zurückholen? ... so mit Wiederauferstehung und so?"

"So ähnlich. Wahrscheinlich nicht so spektakulär, und wir wollten keine Religion daraus machen - schließlich ist sie auf einem Stuhl gestorben und der macht als Symbol weniger her, als ein Kreuz. Na ja, wahrscheinlich hinkt der Vergleich auch noch auf ein paar mehr Ebenen, aber der Grundgedanke ist richtig. Frau Kirchner ist ziemlich tot und wir wollen das ändern. Was ist? Besprechen wir die Sache an einem Ort mit intaktem Dach, einer Heizung und Bewirtung?"

"Abgemacht." Finn klang zwar skeptisch, kletterte jedoch von der Statue herab und ließ sich auf die Brücke hinunter, wobei er aber tunlichst unauffällig darauf achtete, Sina nicht zu nahe zu kommen. "Sie zahlen."

Von Sina kam ein leicht verharmlostes Raubtiergrinsen "Oh, Heizung klingt gut - aber gegessen habe ich schon..."

"Nach Ihnen." Mit lässiger Geste wies Fiedler seinen Begleitern den Weg zum Burgufer und trottete mit verzogenem Gesicht neben dem klatschnassen Ex-Star her während die Beschworene etwas zurückblieb. In seinem Kopf drehten sich Überlegungen ungeordnet umeinander: Irgendetwas an Sina passte nicht ins Bild. Was sie da gerade eben mit dem Troll abgezogen hatte, war keine einfache Prügelei zwischen einem Geist und einer Fee gewesen. Sie hatte direkt die Substanz des Trolls angegriffen und das, ohne die Zuhilfenahme irgendwelcher Symbolik oder rituellen Komponenten. So etwas war auch für einen Beschworenen eine beachtliche Fähigkeit, oder aber die Dame hatte etwas ganz anderes getan, als sie mit ihrer Anspielung vorgab. Sie hatte Stil, das hatte sie schon bewiesen - und  welches Wesen mit Stil fraß schon Trolle?

Misstrauisch blickte er über die Schulter zurück und konnte gerade noch beobachten, wie Sina eine auffordernde Bewegung mit den Händen machte, worauf sich die Millionen von Plexiglasscherben auf den Weg zurück nach oben machten und sich wieder zu klaren Deckenplatten zusammensetzten. Von den Rissen im Brückenbeton war schon gar nichts mehr zu sehen. Erneut stiegen grüblerische Gedanken in ihm auf. Offenbar achtete auch Sina auf ihr Paradox, und selbst, wenn sie oft ziemlich impulsiv und unbeherrscht wirkte - neutral betrachtet hatte sie noch nichts Unüberlegtes getan.

Unüberlegt. In diesem Kontext war es auch nicht einfach nur erfreulich, dass sie ihn einfach so mir-nichts-dir-nichts mit einem Beinahewortbruch davonkommen ließ. Er mochte zwar gegen Magie immun sein, die Gesetze der Symbole und gegebenen Worte galten aber auch für ihn - und ein Wesen ihres Kalibers hätte ihm darüber zumindest einen kleinen Denkzettel verpassen müssen ... warum hatte sie nichts dergleichen getan? War das ein Impuls nach dem metaphysischen Zusammenschlagen des Trolls oder doch Kalkül?

Unüberlegt. Das galt auch ein anderem Zusammenhang. Es musste ziemlich schwierig, riskant und aufwändig sein, ein dermaßen mächtiges Wesen zu beherrschen und in seine Dienste zu zwingen - weshalb hatte sich Unbehaun genau für diesen Geist als seine Vertreterin entschieden? War es wichtig, eine Wesenheit zu senden, die sich gegen andere magische Geschöpfe durchsetzen konnte? Wenn ja - warum? Was verschwieg man ihm? Eines wusste er jedenfalls genau: Ebenezer Unbehaun tat nie etwas Unüberlegtes ...

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