6. Andererseits (3)


Immer wieder war er erleichtert, nicht zu den Magiern in Unbehauns Organisation zu gehören. Zwar musste er sich immer wieder eingestehen, auf die vielseitigen Mächte und Möglichkeiten doch ein wenig neidisch zu sein, die seinem Chef und dessen Kollegen zur Verfügung standen, doch wenn er sich die damit verbundenen Tätigkeiten und Risiken ansah ... Nein, er war mit seiner Position als "Leitender Scherge", wie er sich selbst gelegentlich betitelte, ganz zufrieden. Wenn etwas erledigt werden musste, konnte er selbst einschreiten oder ein paar seiner Untergebenen ("Schergen") schicken und in Grenzen hatte sein Wort sogar für Frau Hasmann, Unbehauns Lehrling, eine bindende Bedeutung.

Dank der berüchtigten Wutausbrüche von Unbehaun konnte er sich seiner Position sogar völlig sicher sein - niemand in der Truppe würde sie ihm so gerne streitig machen. Schließlich hatte nicht jeder seine Gabe - und eine zügige Wundheilung, gute Resistenz gegen Blutverlust und nachwachsende Gliedmaßen waren definitiv von Vorteil, wenn man sich mit schlechten Nachrichten meldete. Gelegentlich war sich Brack allerdings nicht so sicher, ob sein Chef sich Unarten wie die Sache mit den Messern auch angewöhnt hätte, wenn sein oberster Handlanger keine regenerativen Eigenschaften gehabt hätte. Egal. Mit den Schmerzen konnte er leben und sein Leben war relativ sicher. Es kam ja nicht jeden Tag vor, dass eine kostbare und mächtige Schaufensterpuppe (der Beschwörer hatte etwas von einer "idiotisch konstruierten Quasimumie" gefaselt) im Rahmen eines wichtigen Auftrags zu einem Trümmerhaufen zerfiel.

Hätten die Trümmer der Puppe keine deutlichen Kampfspuren getragen, wäre Bracks Meinung nach eher Pfusch seitens des Beschwörers die Ursache des Problem gewesen. Dem Kerl (der sich selbst tatsächlich nur "der Beschwörer" nannte) brachte er schon immer eher wenig Sympathie entgegen und auch dessen Ableben oder Ende im Wahn rangen ihm nur wenig Mitleid ab. Wer sich ständig mit einer Aura von Tod, Verderben und "Ich-Bin-So-Böse" umgibt, der wollte es doch im Grunde genommen nicht anders, oder? Magier spielten mit den Kräften, die die Welt ausmachten - und brauchten sich doch nicht zu wundern, wenn sie an eben diesen scheiterten und zerschellten.

Seine Überlegungen wurden spontan beendet, als eine etwas plump und kompakt gebaute Frau Mitte zwanzig mit hochgesteckten braunen Haaren, einer ausgewogenen Mischung aus Sommersprossen und Hautunreinheiten und strahlend grünen Augen aus dem Gang auf ihn zuschoss. Irene Hasmann strahlte über das ganze pausbäckige Gesicht. "Brack, ich hab' sie wiedergefunden! Also jedenfalls ein Stück von ihr. Ihre metaphysische Substanz meine ich. Erst war sie weg, dann plötzlich war sie wieder da und ich dachte, sie wäre in die Elm gefallen. Als ich aber eine assoziative Kognition zum Fremdende der Interresonanz herstellen könnte, bekam ich lediglich periphäre Signale des Elementes Wasser also ..."

Brack unterbrach ihren Redeschwall. "Sehr gut, Frau Hasmann. Bitte noch einmal im Klartext für mich."

Ein Hauch von Ernüchterung trübte die Miene der Frau. "Sie ist auf ... ähm ... in der Neuen Schlosserbrücke."

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