6. Andererseits (4)


"In der Neuen Schlosserbrücke?" Brack legte all seine Verwunderung in das erste Wort seiner Frage und seine Augen verengten sich zu ungläubigen Schlitzen. "Wie soll ich das verstehen? Meinen Sie vielleicht unter der Überdachung?"

"Eben nicht, Herr Brack, in der Brücke selbst - also genau kann ich das nicht erklären, das Signal war relativ unkorreliert und inkohärent aber deutlich mit einer klassischen neohermetischen Singularisierungstransformation als Überlagerung von materiellen mit asonant nekromantischen Komponenten darstellbar." Erneut schwang ein gerütteltes Maß an Begeisterung über diese Feststellung in Irene Hasmanns Stimme mit.

Ihr Gesprächspartner hingegen runzelte die Stirn. "Was immer Sie sagen. So begeistert Sie von Ihrer Feststellung sein mögen - ich werde sie dem Chef nicht ohne Überprüfung mitteilen. Können Sie Kontakt aufnehmen?"

Vehement schüttelte Frau Hasmann den Kopf: "Nein, nein! Ich sagte doch, dass ich allenfalls asonantes und kein resonantes Feedback erhalte. Natürlich bin ich keine ausgebildete Beschwörerin, aber wenn ich meinen Analytikkenntnissen trauen darf, dann ist die arkane Matrix des Geschöpfes durch den Verlust ihrer stofflich symbolisch bindenden Hülle fast vollständig degeneriert und hat irreversibel ihre Kohärenz verloren."

Brack verdrehte die Augen. "Das heißt, sie ist zerstört?"

"Ja. Äh ... nein ... also, sie ist wahrscheinlich nur noch die Magie, aus der sie bestand, ohne Struktur."

Ein verständnisvolles Nicken von Brack: "Ah. Wie wenn von einem Menschen nur noch ein Haufen Hackfleisch übrig ist, richtig?"

Obwohl ihr dieses Bild deutlich wenig behagte, musste Irene Hasmann zustimmen. "Ja, so in etwa."

"Was schätzen Sie, wie lange müssten Sie vor Ort sein, um Genaueres festzustellen?"

"Auf der Neuen Schlosserbrücke? Da gibt es einen Troll!"

"Richtig. Je kürzer Sie brauchen, desto besser." Über Bracks furchiges Gesicht zog sich ein freundlich-fieses Grinsen. "Also?"

"Ich ... äh ... wenn ich alles vorbereite, könnte ich das wahrscheinlich auch vom Ufer aus machen ... ohne die Brücke zu betreten - das ... ahm ... würde etwa fünfzehn bis dreißig Minuten dauern." Irene Hasmanns Miene schwankte zwischen Besorgnis und geistiger Entrückung.

Für einen Moment wog Brack die Anordnungen Unbehauns gegen den Informationsgewinn durch eine Untersuchung ab. "Sehr gut. Dann treffen wir uns dort in einer halben Stunde. Reicht Ihnen das?" Ein eifriges Nicken beantwortete die Frage und mit dem gleichen Elan den sie bei ihrem Auftritt an den Tag gelegt hatte, verschwand Irene Hasmann wieder den Korridor entlang.

Mit nachdenklich gerunzelter Stirn sah ihr Brack hinterher abwägend, ob er Unbehaun von dieser neuen Entwicklung gleich unterrichten sollte oder lieber erst später. Dann entsann er sich des triefenden abgetrennten Kopfes, den er noch immer in den Händen trug, wunderte sich einmal mehr über die Seltsamkeit der Magier - Frau Hasmann hatte den Kopf zwar zur Kenntnis genommen aber sonst keines Blickes gewürdigt - und machte sich auf den Weg zum Gemeinschaftsraum, wo er den lallenden, sabbernden Beschwörer zurückgelassen hatte.

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