7. Fragestunde (2)


"Einen Moment, Herr Fiedler!" Zu beider Überraschung eilte Sina dem hastig schluckenden und würgenden Finn zu Hilfe. "Vielleicht könnten Sie dem guten Herrn Steinmeier in aller Ruhe zu Ende essen lassen und die dafür notwendige Zeit damit füllen, dass Sie die Begleitumstände von Frau Kirchners Tod für mich noch einmal erläutern. Selbstverständlich habe ich zwar ein paar Informationen über diese Sache mit der Séance auf dem Theatergruppentreffen bekommen, aber Details dazu habe ich von meinem Auftraggeber nicht erhalten. Wären Sie bitte so freundlich, Ihre bestimmt durch die Lektüre von Detektivromanen geschulten Erzählerfähigkeiten nutzbringend anzuwenden und die damaligen Ereignisse so knapp wie möglich und so detailliert wie nötig zu umreißen? Ja? Würden Sie das für mich und Herrn Steinmeiers leeren Magen tun?"

"So so - ich hätte gedacht, dass Ihr Herr und Meister seine Schoßtiere über die nötigen Details informieren würde. Erstaunlich!" Fiedlers Stimme troff vor Sarkasmus und nur in Gedanken fügte er hinzu "... und dabei haben Sie sich doch bislang so viel Mühe gegeben, keine Schwächen zu zeigen."

Mit rationalem Ton fuhr er fort: "Aber wenn Sie das wünschen, werde ich natürlich noch einmal die Details zusammenfassen, von denen ich denke, dass sie wichtig sein könnten. Ein wenig Zeit haben wir ja noch. Sollten Sie mich irgendwo korrigieren wollen, Herr Steinmeier, fallen Sie mir einfach ins Wort - gerne auch mit vollem Mund..."

"Ein wenig Zeit? Warten wir auf etwas?" Sina wirkte skeptisch interessiert.

"Ja, auf einen alten ... Bekannten. Er dürfte für unsere Belange eine ziemlich nützliche Informationsquelle sein." In Fiedlers Gesicht stand ein nicht deutbares Grinsen.

"Und er wird hier auftauchen?"

"Ja. In gewisser Weise ist er schon hier - aber richtig anwesend ist er erst später am Abend." Fiedler grinste noch etwas schiefer und warf einen verstohlenen Blick zu einem schlecht beleuchteten Ecktisch, an dem vage eine dunkelhäutige Frau zu erkennen war, die dort alleine am pulsierend aufglimmenden Lichtpunkt einer Zigarette sog. "Aber ich schweife ab." Er nippte seinem Getränk und fing an, mit merkwürdig markanter Stimme zu erzählen.

"Es begann damit, dass mir ein alter Freund einen Auftrag zukommen ließ - und bei solchen Dingen sagt man nun mal nicht nein. Die Sache klang unklar und schwierig, aber wenn es anders gewesen wäre, hätte er mich ja nicht gebraucht.

In seinem Besitz befand sich eine Tarotkarte, Crowley Symbolik, an sich ganz gewöhnliche Massenware, die es aber anscheinend im wahrsten Sinne des Wortes in sich hatte. Auf irgendeine Art und Weise schien die Karte ein Fragment eines ziemlich mächtigen und einigermaßen angepissten Wesens aus einer Anderwelt zu enthalten. Die Karte hatte dadurch ein paar recht interessante Eigenschaften gewonnen, die hier nichts weiter zur Sache tun. Was vielleicht erwähnt werden sollte ist, dass das Vieh in der Karte so nebenher mal den Geist einer Seherin gefressen hatte, die ihre metaphysische Nase offenbar zu weit in die Sache gesteckt hatte.

Jedenfalls ging mein Auftraggeber davon aus, dass es auch noch andere Karten vom selben Deck geben müsste, von denen zumindest die großen Arcana ebenfalls einen Brocken des übellaunigen Anderweltlers enthalten dürften. Mein Job war es nun, diese restlichen Fragmente zu finden und wenn möglich an mich zu bringen oder unschädlich zu machen."

Ein weiterer Schluck des bernsteinfarbenen Getränks befeuchtete Fiedlers Kehle. Draußen vor dem Separee hatten ein paar Leute angefangen, zwei Tische samt Stühle abzutransportieren, die auf einer kleinen erhöhten Bühne gestanden hatten.

"Die meisten Fälle, für die ich angeheuert werde, drehen sich um irgendwelchen Schweinkram zwischen Grenzland und Normalwelt - und dieser war keine Ausnahme. Bei meinen Nachforschungen stellte es sich heraus, dass die Karte, bevor sie ihren Weg an die Grenze fand, einer Normalo gehört hatte. Die Lady war schnell gefunden und erzählte mir nach ein wenig gutem Zureden, die Karte wäre ihr bei einem Unglück in einem alten Bunker vor zehn Jahren mehr oder weniger zugelaufen. Offensichtlich war die Dame ziemlich unbeleckt von der Grenze und das, obwohl sie selbst die Karte über Jahre hinweg in ihrem Besitz gehabt hatte. Eine direkte Wirkung schienen die Karten also nicht zu haben.

Viel interessanter war aber, dass nur ein paar Tage später so eine Art Klassentreffen auf dem Land stattfinden sollte, bei dem sich zufälligerweise alle die Leute versammeln würden, die damals bei dem Unglück anwesend waren und denen sich daher wohl am wahrscheinlichsten die Gelegenheit geboten hatte, ebenfalls eine oder zwei Karten in die Hände zu bekommen. Es bedurfte nur ein wenig meines berüchtigten Charmes" - Fiedler grinste breit - "und schon war ich als Begleiter der Dame auf die Gästeliste gerutscht.

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