10. Andere Saiten (1)


Mürrisch starrte Brack über das Lenkrad seines grauschwarzen VW 181er Kübelwagens durch die regenverschmierte Scheibe auf die  in endloser Folge unter ihm hinweg gleitenden Reflektionen der Straßenlaternen auf der nassen Straße. Unbehaun hatte ihm zwar zugesagt, dass Marina Vanderduhn ihre seherischen Fähigkeiten ohne Widerrede zum Einsatz bringen würde, allerdings war die Dame derzeit offenbar bei einem 'Außerordentlichen Convent' in Venedig - und stand damit für eine rasche Befragung nicht zur Verfügung.

Beim Gedanken, einmal mehr ohne Ergebnisse zurückkehren zu müssen, verzog er schmerzhaft das Gesicht. Eine andere Lösung musste her. Irgend etwas würde er vorweisen müssen, wenn er nicht schon wieder die Launen Unbehauns zu fühlen bekommen wollte - aber was?

Nach kurzer Überlegung hatte er Kurs auf die Neue Schlosserbrücke genommen. Vielleicht hatte Frau Hasmann es irgendwie geschafft, mit dem "Geist in der Brücke" zu sprechen - und hoffentlich, hoffentlich waren seine Leute irgendwie mit dem verdammten Troll fertig geworden, so dass niemand zu Schaden gekommen war. Brack verdrehte die Augen: Eine vom Troll gefressene Irene Hasmann wäre das allerletzte, das er Unbehaun heute noch melden wollte! Nun gut, so schlimm würde es schon nicht gekommen sein. Sie war zwar noch ziemlich grün, was das harte Leben auf der Straße anging und er hielt von ihrem magischen Talent nicht besonders viel, aber so unbeholfen? Andererseits ...

Brack fluchte herzhaft und entschloss sich, den Gedanken nicht zu Ende zu denken. Statt dessen angelte er sich aus dem halbvollen Aschenbecher des Wagens eine halb abgebrannte Zigarre, wartete, bis diese von der Magie des Aschers pflichtschuldig angezündet wurde, und klemmte sie sich in den Mundwinkel. Der beißende Geschmack des wiederentflammten Tabaks lenkte ihn ab und nur wenig später tauchte hinter einer Ecke der im Regen glitzernde Beton, Stahl und Plexiglasbogen der Neuen Schlosserbrücke auf.

Alle Fußgängerzonen-Schilder geflissentlich ignorierend bugsierte Brack sein röhrendes Gefährt bis unmittelbar zum Fuß der Brücke, brachte es knatternd zum Stehen und stieg mit wuchtigen Bewegungen aus. Bereits bei der Anfahrt hatte er die pummelige Silhouette von Irene Hasmann erkannt, die anscheinend intensiv auf ein sowohl gerissen als auch abgerissen wirkendes Kind einredete. Mohrek und Beil, zwei seiner "Schergen für's Grobe" standen nur wenige Schritte entfernt am Betonansatz der Brücke und hielten ein (hoffentlich) waches Auge auf die Situation.

Mit einem letzten Zug, der seinen verglimmenden Zigarrenstumpen aufglühen ließ, bückte sich Brack zur noch offen stehenden Tür des Kübelwagens und zerrte unter dem blanken Gestänge des Fahrersitzes ein paar sorgsam in schwarzes Leinen gewickelte Pakete heraus. Wenn seine Leute unschlüssig vor der Brücke standen, war die Angelegenheit mit dem Troll wohl noch offen und er rechnete sich eine gute Chance aus, dass es an ihm liegen würde, sich mit dem Troll anzulegen. Als sein Blick dabei den hinter dem Beifahrersitz liegenden glasig aus einer Sporttasche ins Leere starrenden schwer lädierten Kopf der Schaufensterpuppen-Mumie streifte, überlief ihn einmal mehr ein unangenehmer Schauder. Beherzt und angewidert zog er den Reißverschluss der Tasche über deren grotesker Füllung zu. Lieber ein dreckiger grober stinkender Troll als diese ganze abartige Schwarzmagiescheiße!

Nachdem er ungeachtet des strömenden Regens in aller Seelenruhe einige Ausrüstungsteile angelegt hatte, schlug er lässig die Autotüre zu, spuckte den Tabakstummel auf die nasse Straße, schob grimmig den Unterkiefer vor und hielt auf seine ihn sichtlich unentspannt erwartenden Untergebenen zu. Seine Füße steckten jetzt in grob und kantig wirkenden Stiefeln, eine klobig und seltsam wirkende Armschiene verunzierte seinen rechten Arm und schließlich trug er eine mattschwarze Schwertscheide auf seinem Rücken, aus der der schlichte, etwas abgenutzt aber gut gepflegt wirkende Knauf einer Klinge ragte. Ein wenig musste sich Brack trotz seiner mürrischen Laune zusammenreißen, um nicht unwillkürlich über die betretenen Gesichter von Beil und Mohrek grinsen zu müssen - während Frau Hasmann offenbar noch keine Notiz von ihm genommen hatte. Mal sehen, wer sich trauen würde, ihm zu erklären, dass sich noch niemand mit dem Troll anlegen wollte...

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