9. Querungen (1)


Vor den mit acrylfarbenen Palmen geschmückten Türen der Jungle Lounge schlug den drei Grenzbewohnern erst einmal die kalte, klamme, nach Großstadt und Regen schmeckende Luft der noch jungen Nacht entgegen. Während Sina auch in der Bar ihre dicke Bomberjacke nicht hatte ablegen oder verschwinden lassen wollen, klappte Fiedler wieder den Kragen seiner Lederjacke hoch.

"Reizendes Wetter. Ziemlich passend für einen Tag wie heute." Fiedlers gewohnter Sarkasmus ließ sich vom Regen nicht aufweichen. "Immerhin wissen wir jetzt, wo wir Frau Kirchner finden können - oder das, was von ihr übrig ist. Ich schlage vor, wir setzen die Kneipen-Tour fort und suchen uns ein neues Lokal, um unser Vorhaben und den Abend voranzutreiben!" Ohne auf eine Reaktion seiner Begleiter zu warten, machte er sich auf den Weg zurück in Richtung Elmufer.

"Das ist alles? Mehr Informationen gibt es nicht? Das können Sie nicht machen, Fiedler! Letztes Mal, als Sie mich irgendwo mitgeschleift haben, wäre ich beinahe von einem durchgeknallten Voodoo-Gott gefressen worden ... oder so ..." Finns Stimme war erbost und aufgebracht. "Hören Sie zu: Wenn Sie wollen, dass ich bei Ihrem beschissenen und völlig wahnsinnigen Plan mitmachen soll, dann will ich wissen, was läuft und was Sie vorhaben. Ansonsten bleibt Ihnen wohl doch nichts anderes übrig, als mich zu zwingen - denn dann steige ich aus. Kam das an?"

"Oh! Herr Fiedler, ich fürchte, Ihre überragenden Führungsqualitäten sind gerade gefordert ... nicht, dass Ihnen die Situation außer Kontrolle gerät..." Sina schnurrte geradezu vor Belustigung und Spott.

Mit einem tiefen Seufzer hielt Fiedler inne, drehte sich zu Steinmeier um - nicht ohne Sina einen vernichtenden Blick zuzuwerfen - und hob einladend die Hand. "Na gut, mein lieber Herr Steinmeier, wenn Sie mehr wissen wollen, dann erzähle ich Ihnen, wie ich die Sache angehen möchte. Seien Sie aber bitte nicht zu sehr enttäuscht, wenn Sie feststellen, dass auch ich nur einen oder zwei Schritte weiter geplant habe. Wenn es eine einfache Lösung für die Sache geben würde, hätte man wahrscheinlich nicht mich engagiert." Er zögerte kurz und fügte in Gedanken hinzu: "Allerdings sieht die Sache gerade viel zu einfach aus, als dass da nicht noch ein Haken wäre."

Laut fuhr er stattdessen fort: "Wir können diese Unterhaltung natürlich hier führen, wo in absehbarer Zeit ein besoffener, gewissermaßen transsexueller, latent mordlustiger Loa aus der Tür kommen wird, und uns bis dahin nass regnen lassen. Alternativ besprechen wir das Ganze auf dem Weg zu unserem nächsten Stop, werden dabei nicht nasser als nötig und bringen zudem noch ein Stück Weg zwischen Samedi und uns."

Finn überlegte kurz und setzte sich dann in Bewegung. "Und woher wissen Sie, wohin wir gehen müssen?"

"Ich habe gewissermaßen eine Einladung in dieser Zigarettenpackung gefunden." Als ob das die selbstverständlichste Sache der Welt wäre, hielt Fiedler die etwas unsachgemäß geöffnete Schachtel Finn entgegen. "Ach ja - Sie rauchen doch, nicht wahr? Bitteschön - der Tod hat Sie ja schon kennengelernt."

Etwas verdattert nahm Finn die Zigaretten entgegen, während Fiedler fortfuhr: "Auch wenn Ghedes Auskunft eher wenig hilfreich war, gibt sie uns einen Anhaltspunkt, wo wir mit unserer Queste ansetzen können. Wir wissen jetzt grob, wo die Kirchner gerade ist - die Beschreibung klingt stark nach einer Zwischenwelt oder einem Limbo, wahrscheinlich nahe beim Ort des Orakels. Wenn wir sie wieder zurück holen wollen, bietet es sich an, diesen Ort aufzusuchen, um zumindest in räumlicher Nähe zu ihrer 'einsamen Seele' zu sein. Ungeschickt an der Sache ist, dass wir dazu leider diese Welt verlassen und in eine Anderwelt namens 'die Ödnis' übertreten müssen."

 Jetzt war es an Sina, die Augen zu verdrehen und zu seufzen: "Och nöö. Das wird anstrengend."

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