8. Untertöne (5)


"So, Herr Fiedler, wenn wir sonst nichts mehr zu besprechen haben - die Schuld meiner Houngan bei Ihnen ist wohl mehr als beglichen." Sie/er stand in einer schlaksigen Bewegung auf - nicht ohne sich dabei das Glas vom Tisch zu schnappen. "Ich für meinen Teil sehe damit den geschäftlichen Teil des Abends als abgeschlossen und suche mir weniger ... anspruchsvolle Begleitung" und mit einem Seitenblick auf Sina "- insbesondere solche, deren Fleisch echt und nicht manifestiert ist - Sie verstehen?" Ein anzügliches Zwinkern unterstrich unnötigerweise den letzten Teil seiner/ihrer Worte.

Fiedler hatte sich reflexartig der Situation angepasst und lächelte höflich. "Nur zu, Baron, die Geschäfte mit Ihnen und den Ihren waren wieder einmal zu meiner vollsten Zufriedenheit und es liegt mir fern, Sie vom Nachtleben abzuhalten! Ach ja - und grüßen Sie Madame Lestrange von mir, wenn Sie sie verlassen!"

Mit einer grotesk förmlichen Geste verneigte sich der Körper der Frau, während ihre/seine Augen über den Rand der Sonnenbrille hinweg Sina und Fiedler nicht aus dem Blick ließen. Dann drehte sich der Baron ruckartig weg und hielt mit großen Schritten auf einen anderen Tisch im Halbdunkel zu.

"Das lief ja nochmal glatt." Fiedler zog skeptisch seine Augenbrauen hoch und sah der Silhouette des Barons hinterher. "Netter Trick, Steinmeier. Wirklich nett! Ich weiß zwar nicht genau wie, aber Sie haben sich offenbar gerade irgendwie aus der Wahrnehmung eines leicht angetrunkenen Voodoo-Gottes entfernt - der Sie gerade nach Strich und Faden in Einzelteile zerlegen wollte. Ihre Gabe?" Er schnalzte anerkennend mit der Zunge. "Kein Wunder, dass Boris und seine Leute Sie so schnell aus den Augen verloren haben, als Sie die Schnauze voll hatten ..."

"Aber Sie ... also ... wieso geht er und Sie ... sehen mich noch?" Auf Finns Gesicht stand Verwirrung und noch etwas Schweiß.

Sofort wandelte sich der anerkennend verwunderte Ausdruck des Detektivs in ein hämisches Grinsen: "Ach wissen Sie, magische Tricks funktionieren nicht bei mir - und wenn ich bedenke, wie aufmerksam unsere schöne aber schweigsame Tischgesellin der Unterhaltung, geschweige denn den Ereignissen gefolgt ist, dürfte sie auch nicht von Ihren Fähigkeiten betroffen sein."

Die angesprochene Sina stellte erneut ihr feines, leicht arrogantes Raubtierlächeln zur Schau. "Nun ja, es mag für mich von Vorteil sein, nicht im sterblichen Fleisch eines willigen Anhängers gefangen zu sein - auch wenn er dadurch sicherlich viel mehr Vergnügen an seinem Cocktail haben kann ... Aber wenn ich schon dabei bin: Wenn ich aus meiner Erfahrung mit Ghede - oder Samedi oder was-auch-immer - sprechen darf, dann sollten wir jetzt gehen. Das Getränk, das er da hatte, stank erbärmlich nach billigem Rum und bevor er ihm der zu Kopfe steigt, möchte ich möglichst viel Abstand zwischen ihn und uns bringen."

Fiedlers Gesicht wurde sofort ernst. "Sie meinen, er könnte seine Professionalität vergessen und sich stattdessen an alte Geschichten erinnern?"

"So etwas in der Art. Allerdings ist er auch sonst unerträglich im betrunkenen Zustand."

"Dann gehen wir wohl - bezahlt habe ich schon." Behände erhob sich Fiedler aus seinem Stuhl und sein Blick forderte Steinmeier auf, das selbe zu tun. "Wollen Sie immer noch mitkommen, Herr Steinmeier? Nur weil Sie sich vor mir nicht verstecken können heißt das nicht, dass ich Sie zu etwas zwingen will. Es gibt vielleicht nicht viele Gesetze an der Grenze - aber Anstand hat auch hier seinen Platz."

Für einen Moment zögerte Finn, dann stand er etwas unbeholfen auf und griff nach seiner Jacke. "Nein. Ich komme mit Ihnen. Erstens möchte ich nicht in einem Raum mit diesem ... was haben Sie gesagt? ... diesem Voodoo-Gott sein - betrunken oder nicht - und zweitens haben Sie mir ein Geschäft vorgeschlagen und ich habe vor es anzunehmen."

Er hielt kurz inne, kräuselte nachdenklich die Stirn und fragte mit Zweifel in der Stimme: "Voodoo-Gott?"

Fiedler nickte. "Ein Loa. So eine Art makabere Verkörperung des Sterbens. Der personifizierte schwarze Humor. Ich weiß, das Ganze gehört in einen Südsee-Karibik-Piratenfilm oder zumindest in sowas wie James Bond - aber Madame Lestrange ist eine ziemlich gute Houngan, eine Voodoo-Priesterin, die sich von ihren Göttern in Besitz nehmen lassen kann ... und typischerweise ist am Freitagabend ein guter Zeitpunkt für den Baron."

"Voodoo so mit Wachspuppen, Untoten und so?" Ungläubig schüttelte Finn den Kopf.

"Genau so."

"Aber der Cocktail, den er getrunken hat..."

Fiedler grinste. "Ja, genau. Ein Zombie. Samedi mag Details ..."

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