8. Untertöne (4)


Finn öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, schloss ihn dann aber wieder und schluckte fast schmerzhaft. Bevor er sich aber zu einer Antwort durchringen konnte, ergriff Fiedler souverän das Wort. "Mein lieber Baron, ich möchte ja nicht unhöflich erscheinen, doch das Geschäft läuft zwischen Ihnen und mir - oder besser zwischen Madame Lestrange und mir. Wenn Sie im Anschluss gerne Herrn Steinmeier in den Tod, Ruin oder Ähnliches treiben möchten, steht Ihnen das natürlich frei - allerdings ist mir die Angelegenheit um Frau Kirchner viel zu wichtig, als dass ich sie mit den Fehlern eines Neulings im Grenzland zunichte machen möchte."

Für einen Augenblick herrschte Stille am Tisch (durchtränkt von den diffusen Reggearhythmen im Hintergrund), bis sich Samedi ruckartig und widerwillig von seinem 'Opfer' ab- und Fiedler zuwandte. Seine/ihre Stimme hatte viel von ihrem jovialen Humor verloren und klang nach kaltem Rauch, Grab und Galgen. "Nun, wie sagt ihr so schön? Ein Geschäft ist ein Geschäft ist ein Geschäft ist ein Geschäft - und ich werde bestimmen, wie tief der Einblick ist, den ich Ihnen gewähre. Was wollen Sie also wissen?"

"Was ist mit Astrid Kirchner passiert, als sie offensichtlich starb - und wo und in welchem Zustand ist sie jetzt?"

Samedi riss die Augen der Frau weit auf, so dass ihr leuchtendes Weiß im bunten Halbdunkel der Jungle Lounge gespenstisch aufleuchtete und mit einem Mal war auch wieder das breite irrsinnig wirkende Grinsen auf ihrem/seinem Gesicht: "Die Antworten sollen Sie haben, Herr Fiedler, sehen Sie zu, dass Sie sie nicht ins Verderben führen!

Astrid Kirchner musste sterben, weil ihr Geist einem alten versteinerten Gott zu nahe gekommen war, der ihr kleines erbärmliches Leben zerquetschte wie eine lästige Schmeißfliege! Einfach so." Er/sie machte ein schnalzendes Geräusch mit der Zunge und schloss die Hand zur Faust, als würde er den Saft aus einer Zitrone drücken - ohne allerdings das beängstigend begeisterte Lachen aus dem Gesicht zu verlieren.

"Nicht genug damit, wollte diese halbzerfallene und vergessene Götterleiche auch noch ihre Seele verschlingen und an sich reißen - aber das konnte er nicht. Die Kirchner war zu stark und zu gerissen, zu oft schon im Totenreich gewesen und von dort zurückgekehrt und sie entwand sich seinem Griff. Doch sie war den Weg bereits zu weit gegangen. Ihr Körper war tot, sie hatte die Kreuzung passiert und es gab kein Zurück - also musste sie bleiben wo sie war: eine einsame Seele im Nichts umherirrend, dem Wahn und dem Verlöschen preisgegeben."

Samedi nahm einen weiteren großen Schluck seines/ihres rötlich braunen Cocktails und leckte sich überbetont genussvoll die Lippen. Dann lehnte sie/er sich zurück und fixierte Fiedler mit amüsiert abfälligem Blick. "War es das, was Sie wissen wollten, Herr Fiedler? - Ich hoffe es, denn mehr werden Sie nicht erfahren!" Erneut brach ein Lachen aus seiner/ihrer Kehle hervor, diesmal lauter und unbeherrschter als zuletzt, nur um wieder abrupt zu enden, als sich das groteske Grinsen mit weit aufgerissenen Augen zu Steinmeier wandte. "Und nun zu uns, Finn Steinmeier! Was bietest du mir, wenn ich deine kleine Freundin wieder zurückkommen lasse? Deine Seele kann ich nicht haben und will ich auch nicht - dein Körper ... spricht mich nicht an und deine Dienste ... na, was kannst du bieten?" Um die weit auseinandergezogenen Mundwinkel der Dunkelhäutigen spielte ein bösartiger Ausdruck, als sie/er sich an Finns kreidebleichem Gesicht weidete, auf dessen Stirn sich Schweißperlen bildeten.

Dann geschah etwas Seltsames: Samedi blinzelte einmal, zweimal - dann sah er/sie sich mit einem leichten Anflug von Verwirrung um, als habe er etwas Wichtiges vergessen oder übersehen und griff schließlich mit einer Geste, die fast schon aus Verlegenheit geboren schien, zu seinem Cocktailglas und ihr/sein joviales Gehabe kehrte zurück. Ohne Steinmeier eines einzigen weiteren Blickes zu würdigen, konzentrierte er/sie sich wieder auf den gegenübersitzenden leicht überraschten Fiedler.

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